Nick Stone 07 - Schattenkiller
und drehte den Knauf.
Rasch trat ich zwei Schritte zurück, drehte mich um und spannte die Muskeln in Erwartung eines Aufpralls. Ganz deutlich sah ich das Entsetzen in Jerrys Gesicht. Er sank aufs Bett zurück und rollte sich zusammen.
Ich schloss die Augen und wartete.
76
Nichts geschah. Jemand kam herein - ich fühlte ihn eher, als dass ich ihn hörte.
Dann vernahm ich eine Stimme. Sie klang wie die eines Nachrichtensprechers der BBC in den fünfziger Jahren. »Es ist alles in Ordnung, Nick. Ich bin’s.«
Ich drehte mich um und öffnete die Augen. Die Ledertypen waren draußen im Flur stehen geblieben, aber direkt vor mir stand Benzil. Jede Menge Schorf zeigte sich in seinem Gesicht. Es sah aus, als genügte ein Lächeln, um alles aufplatzen und wieder bluten zu lassen.
Benzil trug einen schwarzen Mantel über einem weißen, am Kragen geöffneten Hemd und einer weißen Weste mit rundem Ausschnitt. »Es geschah nicht zum ersten Mal, dass Feinde von Mr. Nuhanovic versucht haben, mich zu töten, und hoffentlich geschieht es auch nicht zum letzten Mal, dass sie erfolglos bleiben. Aber Roberts Tod ist ein schrecklich hoher Preis.«
»Ich habe gehört, wie sie in den Wagen schossen.«
Benzil hob die Hand. »Sie schossen auf ein Ziel, das sich sehr schnell bewegte. Durch Gottes Gnade konnte ich den Wagen rasch verlassen und in ein Haus gelangen.
Die Leute dort waren sehr freundlich. Es geschah so plötzlich - und unsere Sicherheitsmaßnahmen waren immer sehr streng. Ich habe Sie für unsere einzige Verbindung zur Außenwelt gehalten, aber Robert bürgte für Sie. Und natürlich konnte Ihnen kaum daran gelegen sein, selbst in einen Hinterhalt zu geraten.«
»Ich wusste nichts davon.«
Ich hörte, wie Jerry sich hinter mir vom Bett rollte. Benzils Blick glitt über meine Schulter hinweg. »Hallo.«
Benzil nickte. »Jerry?«
»Ja.«
Benzil ging es um wichtigere Dinge. »Wir müssen uns schnell auf den Weg machen. Mr. Nuhanovic möchte mit uns beiden sprechen. Die Gentlemen dort draußen bringen uns zu ihm.«
»Gehören sie zu Salkic?«
»Ja. Ich habe Sie nicht in der Moschee gesehen, weiß aber, dass Sie heute viel Aufmerksamkeit auf Mr. Salkic gelenkt haben. Vermutlich konnten die serbischen Menschenhändler ihn dadurch mit Nuhanovic in Verbindung bringen. Die Situation hier ist jetzt gefährlich. Bitte packen Sie Ihre Sachen. Ich warte unten auf Sie.«
Jerry trat an meine Seite. »Was ist mit unseren Pässen? Kehren wir hierher zurück?«
»Man hat mir gesagt, dass man sich um alles kümmert.« Benzil zögerte, und seine Lippen deuteten ein Lächeln an. »Vielleicht kommen Sie doch noch zu Ihrer Aufnahme.«
Die Lederjungs sahen sich misstrauisch um, als wir das Zimmer verließen. Ihre Jacken waren geöffnet, die Pistolen darunter in Griffweite.
Niemand sprach ein Wort, als wir zum Lift gingen. Jerry blickte starr geradeaus, die Hände an der Gürteltasche
- er schien zu befürchten, jemand könnte ihm die Kamera stehlen.
Unten an der Rezeption zeigte sich ein weiteres bekanntes Gesicht. Salkic gab uns unsere Pässe und sagte: »Folgen Sie mir.«
Zwei mitternachtsblaue Audis mit getönten Scheiben und Alufelgen warteten draußen mit laufendem Motor. Benzil setzte sich in den Fond des ersten. Der junge Fahrer hielt ein kleines Funkgerät in der Hand und bedeutete uns, zum zweiten Wagen zu gehen. Dort öffnete sich mit einem Klicken der Kofferraum.
Die Lederjungs wandten sich von uns ab. Einer nahm neben Benzil Platz, der andere auf dem Beifahrersitz. Salkic stieg in unseren Wagen, als wir das Gepäck in den Kofferraum legten. Am Steuer saß ein gut vierzig Jahre alter Mann. Sein Bürstenschnitt zeigte erstes Grau an den Seiten, und sein Gesicht war mit kleinen Narben übersät. Bartstoppeln wuchsen nur dort, wo die Haut unbeeinträchtigt geblieben war. Als die rechte Hand übers Steuer strich, sah ich, dass der kleine und der Ringfinger fehlten.
Jerry erkannte ihn ebenfalls. Der Mann drehte sich nicht zu uns um, stellte auch keinen Blickkontakt im Spiegel her, und deshalb reagierten wir ebenfalls nicht.
Es hatte aufgehört zu regnen, aber die Heizung war an. Es roch nach neuem Leder. Salkic und der Fahrer schwatzten miteinander, und zwar mit Warp-Geschwindigkeit. Knistergeräusche kamen aus dem Funkgerät, dann eine Stimme, die Serbokroatisch sprach. Salkic holte einen
Motorola-Communicator hervor, von der Art, wie ihn Skifahrer verwendeten, um am Hang miteinander in Kontakt zu bleiben. Er
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