Nick Stone 07 - Schattenkiller
gefüllt mit Eis, Mineralwasser und Coke. Bonbonpapier und leere Flaschen lagen auf dem Boden. Der Fahrer hatte die linke Hand am Steuer und eine Be- retta in der rechten. Ein Walkman lag auf dem Armaturenbrett. Vielleicht hörten sich die Burschen Eminem an, wenn sie sich langweilten.
Die mattgrüne Lackierung war zerkratzt und abgetragen; Stahl und Aluminium kamen darunter zum Vorschein. Danny Connor hatte Recht: Die amerikanischen Soldaten waren nicht auf diese Art des Krieges vorbereitet. Jemand hatte kugelsichere Westen an den Türen befestigt. Vorher hatte nur dünnes Stahlblech die Jungs vor dem Feind geschützt.
Die US-Truppen waren auf einen schnellen, mobilen und aggressiven Krieg vorbereitet worden, nicht auf die Guerilla-Aktionen, mit denen sie es jetzt zu tun bekamen. Wie Danny Connor gesagt hatte: Es war wie Belfast, nur schlimmer. Mir taten die Burschen fast Leid, die mit so großen Wagen durch schmale Straßen fuhren und jederzeit mit einem Angriff rechnen mussten. Vor Raketengranaten waren sie überhaupt nicht geschützt, und Sandsäcke im Fußraum bildeten eine Art von Barriere improvisierten Sprengsätzen gegenüber. Es lag so viel Unrat auf den Straßen, dass es unmöglich war, irgendwelche zusammengebastelten Bomben rechtzeitig zu erkennen.
Während der Fahrt erweckte ich den Anschein, dass mein Kopf ebenso wackelte wie die der anderen, während ich mich umsah und einen Eindruck davon zu gewinnen versuchte, wohin wir fuhren. Ich hoffte, mich besser zu fühlen, wenn ich eine Vorstellung davon hatte, wo wir uns befanden.
Ich hatte keine Angst. Ich war nur sauer.
Sonnenschein spiegelte sich auf Wasser wider, und ich sah die Silhouette der Brücke über den Tigris. Von meinem Hotelzimmer aus hatte ich sie oft genug gesehen. Verdammt, es war heiß hier drin.
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Wir fuhren an Autoschlangen vorbei. Die Ruinen des Einkaufszentrums gerieten in Sicht, kurze Zeit später das große Kolonialgebäude mit den geschlossenen Fensterläden und dem Union Jack auf dem Dach. Britische Soldaten in Wüsten-Tarnfarben waren hier stationiert: Mehrere Warrior-AFVs standen zwischen Wällen aus Sandsäcken und NATO-Drahtrollen.
Mein Hemd war schweißnass und klebte am PVC- Bezug des Sitzes. Ich spürte die Körperwärme des Mili- tärpolizisten neben mir. Meine Hände schwollen unter den Plastikfesseln an, und ich beugte mich vor, damit es weniger wehtat. Der MP zog mich jedes Mal zurück.
Wir passierten einen amerikanischen Checkpoint. Helme und Sonnenbrillen. M16. Sandsäcke. Draht. Der Fluss war rechts von uns, eine Mauer mit kurzem Geländer auf der linken Seite. Jenseits davon ragten Palmen auf. Vor dem blauen Himmel sahen sie mehr nach Beverly Hills als nach Bagdad aus.
Der Fahrer trat auf die Bremse und bog abrupt um neunzig Grad ab. Ich hob den Kopf: Die Fahrt ging jetzt an niedrigen, rechteckigen Betongebäuden mit flachen Dächern vorbei. Einige von ihnen waren zerstört; bei anderen bedeckten Planen die Wände. Überall standen US-Militärfahrzeuge. Grüne Armeehandtücher und Feldanzüge hingen an improvisierten Wäscheleinen. Satellitenschüsseln deuteten gen Himmel. Ich hörte Generatoren.
Wir fuhren um eine weitere Ecke und kamen an einer Reihe irakischer Panzer mit zur Seite hängenden Geschütztürmen vorbei, und ihnen folgten andere Fahrzeuge, die ebenfalls einiges abbekommen hatten.
Iraker wurden von den Ladeflächen mehrerer Laster gezerrt, die vor Blockhäusern mit kleinen, vergitterten Fenstern standen. Ich wurde langsam ein wenig nervös.
Der Hummer hielt mit einem Ruck an, und ein rostiges Eisentor schloss sich quietschend. Die Türen öffneten sich, und der Sergeant und der Mann neben mir stiegen aus.
Ich hörte ein »Sssh« und wusste, was passieren würde.
Ich schloss die Augen und biss die Zähne zusammen, senkte den Kopf und spannte die Muskeln.
Hände packten mich, zogen mich aus dem Wagen und ließen los. Ich fiel auf den Boden.
Die Männer sprachen nicht. Ich hörte nur schweres Atmen und Brummen, als man mich auf die Beine zog.
Jerry war irgendwo hinter mir. »Ich bin ein amerikanischer Bürger. Seht in meinem Pass nach.«
Ich hörte einen dumpfen Schlag, als ihn eine Faust in der Magengrube traf, dann würgende Geräusche. Erbrochenes landete im Sand.
Man zog mich weg, und meine Füße berührten kaum den Boden. Der Griff um meine Arme lockerte sich nicht, als wir ein Gebäude erreichten. Plötzlich war es kühler. Ich öffnete wieder die Augen und lugte unter der
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