Nick u. Jan 1 Zweite Halbzeit
liebevoll um ihn!“ Sie sieht mich an und muss lächeln. „Ich weiß ja nicht, ob das so gut für Stuttgart wäre“, zweifelt sie. Anscheinend traut sie mir da nicht so viel zu wie ihrem Lieblings-Schwaben. Der Blick, mit dem sie darauf ihren Bruder bedenkt, verheißt nichts Gutes. An seiner Stelle würde ich mich heute vorsehen.
Ich für meinen Teil kann nur noch Jan angucken und ihm geht es genauso.
Abschiede sollten abgeschafft werden.
„Mach's gut, Kumpel“, sage ich zu Christoph und wir klatschen unsere Hände ab.
„Tschüss, Katharina“, sage ich ,“ lass' dich nicht ärgern!“ und nehme sie einfach in den Arm. Ich fühle ein kurzes Sträuben, doch dann schmiegt sie sich an mich.
„Tschüss, Nick“, sagt sie leise und wird wieder rot. Lily springt um mich rum.
„Wann kommst du wieder?“, schreit sie, als ob ich taub wäre. Ich gehe zu ihr in die Knie. „Soll ich denn wiederkommen?“, frage ich sie.
„Ja!“, schreit sie begeistert und lacht. Ich grinse sie an. „Krieg ich'n Kuss?“, frage ich sie. Sie schlingt ihre weichen Ärmchen um meinen Nacken und drückt mir einen patschnassen Kinderkuss auf den Mund.
„Uff, sage ich, mich erhebend, „ deine Kleine geht ja ganz schön ran!“
Was für ein falsches, erzwungenes Lachen!
Je witziger man ist, desto stärker kann man die wahren Gefühle tarnen, nicht wahr?
Ich stehe vor Jan. Bin ganz zittrig jetzt. Ich will ihn doch gar nicht verlassen ... niemals ... ich will bei ihm bleiben! „Tja, dann mach's gut“, bringe ich tonlos heraus und muss schlucken. Ist gar nicht so einfach, wenn der Mund so trocken ist und die Zunge förmlich am Gaumen klebt.
„Tschüss ... Nick“, sagt er mit rauer Stimme und wir sehen uns ununterbrochen an.
Ich habe noch nie in so traurige graublaue Augen geblickt.
Keine Berührung mehr.
Gut so. Das hätte ich auch nicht verkraftet.
Ich war' sonst zusammengebrochen und hätte alles vermasselt. Es tut verdammt weh.
Ich steige in mein Auto. Josy hat bereits alles verstaut. Setze mich auf den Beifahrersitz. Jan steht neben dem Wagen. Ich kurbele die Scheibe runter.
„Wir telefonieren“, sage ich und sehe sehnsüchtig hoch zu ihm. Er nickt und wirkt äußerst angespannt.
Josy fährt los. Jan steht mit Lily auf dem Arm vor der Haustür. Sie winkt und winkt, bis wir um die Straßenecke gefahren sind.
„Na?“, fragt Josy, „ was'n los?“ Er kennt mich auch verdammt gut.
„Jetzt ist's passiert“, sage ich gepresst, „ich hab' meine große
Liebe getroffen ... verdammte Scheiße! Warum muss er verheiratet sein und drei Kinder haben?“, schreie ich, „sag' mir, dass ich'n Vollidiot bin!“ Josy sieht ungerührt geradeaus.
„Er sieht aus wie der 'Gladiator', findste nicht auch? Wie heißt der Schauspieler doch gleich?“ „Russell Crowe “, sage ich seufzend. Josy und ich verstehn uns eben.
Jan
Am liebsten würde ich jetzt alle wegschicken. Ganz egal wohin, bloß weggehen sollen sie! Katharina und Christoph streiten. „... stimmt doch!“ sagt er gerade. „Du bist so gemein“, zischt sie ihn an.
„Kinder, hört auf“, sage ich und fühle mich plötzlich alt und müde.
'Nick ist 25', denke ich, 'und ich werde 40 ... was habe ich eigentlich für Flausen im Kopf Gehe ins Wohnzimmer. Renate steht an der Terrassentür und dreht sich zu mir um.
„Ein netter Junge“, sagt sie lächelnd und ich fühle mich augenblicklich noch älter, „wie lange war er bei euch?“
„Ungefähr zehn Tage“, sage ich.
„Renate - was ist jetzt mit uns? Wie geht's weiter?“
Ich stürme nach vorn, muss schnell von Nick ablenken, kann nicht über ihn reden.
Sie sieht mich groß an.
„Ich möchte mich trennen, Jan.“
Also doch ein anderer Mann. Obwohl sie den Verdacht vorm Urlaub noch entrüstet von sich gewiesen hat.
Sie hat ihn an der Abendschule kennen gelernt. Seit drei Monaten geht das schon. Und ich hab' nichts mitgekriegt! Wie auch?
Im Bett hat sich bei uns schon so ewig lange nichts mehr abgespielt... ich weiß gar nicht mehr, wie sie nackt aussieht.
'Wie würde ich reagieren, wenn's Nick nicht gäbe?', frage ich mich die ganze Zeit, während sie redet und mich ängstlich dabei ansieht.
Sie hat ja Recht. Mit allem, was sie sagt. Wir leben schon so lange nur nebeneinander her, sind lediglich Zweckgemeinschaft. Mit Erstaunen nehme ich wahr, dass ich Erleichterung verspüre, wenn ich an unsere real bevorstehende Trennung denke; Erleichterung, vermischt mit
Weitere Kostenlose Bücher