Nick u. Jan 1 Zweite Halbzeit
Wahrscheinlich sehe ich grün aus. Aber Erbrochenes ist mir echt zuwider. Dieser Geruch!
„Ihre Jacke sieht auch gut aus“, sagt sie mit anerkennendem Blick, „geben Sie die mal her!“
Lily und ich sitzen im Wartezimmer. Es geht ihr wirklich dreckig, sonst wäre sie schon längst auf das riesige Schiff geklettert, das mitten im Raum steht und auf dem lärmend diverse Kinder herumtoben. Was wollen die eigentlich hier? Die sind doch überhaupt nicht krank, so wie ich das sehe! Zumindest nicht so wie Lily, die bei mir auf dem Schoß sitzt und müde in meinem Arm hängt, während ich eine Nierenschale aus Pappe in der Hand halte, für den Fall, dass sie wieder erbricht ... 'bitte nicht', flehe ich innerlich.
Die nette Arzthelferin, die meine Jacke mitgenommen hat, ruft Lily auf. Sie bringt uns zum Untersuchungszimmer. „Ihre Jacke ist wieder sauber“, sagt sie. „Danke“, sage ich erfreut. Sie sieht mich an.
„Sind Sie der Vater?“, fragt sie mich neugierig.
„Wieso?“, frage ich zurück.
„Sie sehen noch so jung aus“, lächelt sie.
„Tja“, sage ich zwinkernd, „gleich beim ersten Schuss 'n Treffer!“
Sie sieht mich verblüfft an, dann lacht sie los.
Zweifel
Völlig undenkbar - Diverse Lügen - Rote Bettwäsche
Jan
Wenn Nick nicht da gewesen wäre...
Furchtbar hektischer Morgen und im Geschäft ging's gleich so weiter.
Eine falsche Lieferung hetzt mir einen wütenden Kunden auf den Hals.
Unser Fahrer Hanno hat 'mal wieder was verwechselt. „Der ist sogar zum Scheißen zu blöd“, flucht Wolfgang, mein Kollege, „wenn der Klodeckel runtergeklappt ist, macht der sich glatt in die Hose!“
Renate endlich erreicht. Sie fährt gleich los. 'Nick', denke ich die ganze Zeit über, 'du bist so toll.' Selbstverständlich ist es wirklich nicht, was er tut. Und ich? Was will ich?
Ich will mit ihm zusammen sein. Aber es sagen? Den Kollegen hier?
„Ey, hört allemal her - ich bin jetzt mit 'nem Mann zusammen!“ Völlig undenkbar. Aber wann kommt es bitte auch schon mal vor, dass sich ein Familienvater plötzlich als schwul outet? Das verwirrt mich sowieso noch immer. Bin ich jetzt wirklich schwul? Es ist an Nick gebunden.
Ihn liebe ich ... aber find' ich jetzt deshalb auf einmal alle Männer toll?
Nein, ganz und gar nicht.
Andererseits habe ich auch nicht jeder Frau nachgestarrt, bloß weil sie 'ne Frau war!
Es ist irgendwie schwer zu begreifen. Genauso gut könnte Nick ein Mädchen sein.
Ist er aber nicht.
Er hat zwar ein hübsches Gesicht, aber ... alles andere ist ohne Zweifel männlich!
Und er wirkt auch überhaupt nicht weiblich. Kein Mensch würde annehmen, dass er schwul ist. Was rede ich hier?
Das stammt doch auch nur wieder aus meiner Kiste der Vorurteile!
Sieht man's denn überhaupt jemandem an? Hat man nicht bloß so doofe und überkommene Vorstellungen im Kopf, die höchstwahrscheinlich vom Gucken schlechter Fernsehsendungen herrühren, von wegen schwule Männer müssten mit hoher Stimme sprechen und affektiert die Hüften schwingen beim Gehen? Und beim Sitzen die Knie zusammenpressen und die Kaffeetasse so halten, dass der kleine Finger abgespreizt ist? Und gern Sekt trinken und ins Theater gehen? Oder war's Ballett? Nick tut nichts dergleichen. Er latscht genauso wie ich und sitzt breitbeinig auf dem Sofa. Seinen Kaffeebecher umfasst er oft mit beiden Händen, weil er leicht friert und kalte Hände hat. Und Bier trinkt er tausendmal lieber als Sekt und ich glaube, er würde es auch jederzeit vorziehen, in die AOL-Arena zu gehen, als sich für den „Nussknacker“ in Schale zu werfen!
„Du müsstest mal meinen Mitbewohner kennen lernen“, hatte er mir kichernd erzählt, „und seine 'beste Freundin'! Die sind wahrscheinlich haargenau so, wie du dir früher 'n Schwulen vorgestellt hättest... richtige Tunten.“
„Lern' ich bestimmt mal kennen, oder?“, hatte ich ihn gefragt. Er hatte mich umarmt und geküsst.
„Ja ... und meine Ma. Also die ist echt in Ordnung! Du wirst sie mögen ... sie dich auch, das weiß ich.“ Ich hatte ihn angesehen und geseufzt. „Wenn's erst mal so weit ist“, hatte ich gesagt.
Lily hat 'ne Mandelentzündung. Irgendwelche Bakterien. Ich bekomme ein Rezept für ein Antibiotikum sowie Fieberzäpfchen und ein Rachenspray.
'Hoffentlich muss ich ihr zu Hause kein Zäpfchen geben! Das hab' ich noch nie gemacht!', denke ich gestresst, als ich aus der Praxis komme.
Im Auto schläft sie gleich wieder ein. Wer
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