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Nickel: Roman (German Edition)

Nickel: Roman (German Edition)

Titel: Nickel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aric Davis
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Ehrlich gesagt war ich nicht sicher, ob ein Mädchen, das aussah wie sie, überhaupt unauffällig sein konnte. Ich setzte mich neben sie und sie fragte: »Irgendwas rausgefunden?«
    »Gestern hätte ich in Four Oaks fast Prügel kassiert.«
    Sie sog Luft durch die Zähne. »Tommy Van Andel?«
    »Einen Namen habe ich nicht bekommen.« Dass ich beinahe ein Ohr bekommen hätte, erwähnte ich nicht.
    »Klar, das war Tommy. Ich hatte mich schon gewundert, wo er den Gips auf der Nase herhat.«
    »Abschiedsgeschenk.«
    »Ich wette, es tut ihm leid, dass er dich getroffen hat.«
    »Dann habe ich’s ja richtig gemacht.«
    »Er ist ein kleiner Dreckskerl; der hat es nicht anders verdient.«
    »Er hat mich praktisch darum gebeten.«
    »Was wolltest du denn in Four Oaks?«
    »Ich hab mich bloß umgesehen, wollte versuchen herauszufinden, wer in einer guten Position wäre, deine Schwester zu entführen.«
    »Und?«
    »Mein Gedankengang wurde von deinen Schlägernachbarn unterbrochen.«
    Sie verzog das Gesicht. »Tut mir leid, ich hätte dich vorwarnen sollen. Ich hab bloß überhaupt nicht dran gedacht.«
    »Schon gut. Jetzt wissen sie Bescheid.«
    »Das weiß man nicht. Tommy ist kein Schnellmerker.«
    »Ich kann es ihm auch zweimal erklären. Macht mir nichts.«
    Ich lächelte sie an; sie lächelte matt zurück. »Die Cops haben einen von Shelbys Schuhen gefunden«, erzählte sie.
    »Wo?«
    »Im Wald an der Brücke.«
    »Führst du mich hin?«
    »Natürlich.«
    Sie stand auf und strich den Rock glatt, als wäre das die natürlichste Sache der Welt; ich ließ mir den Anblick nicht entgehen. Als wir an Augenklappe vorbeikamen und ich winkte, warf Arrow mir einen Blick zu und winkte auch. Ich hoffte, er würde reagieren, aber Fehlanzeige. Penner. Ich wickelte die Kette vor ihren Augen vom Fahrrad – teilte ein Geheimnis mit ihr, wenn auch nur ein kleines. Ich radelte, sie ging zu Fuß und in nicht einmal zehn Minuten waren wir da.
    An der Brücke stieg ich ab und zog noch einmal die Show mit der Kette ab. Arrow fragte nicht, warum; das musste manihr anrechnen. Sie hüpfte über die Brüstung und streckte mir die Hand hin. Ich sprang ebenfalls hinüber, und sie hielt weiter meine Hand, als wir gemeinsam die Böschung hinabrutschten. Als wir unten ankamen, ließ sie doch los – es hätte mir fast das Herz gebrochen. Ich schwor mir, mir die Hand nie mehr zu waschen.
    Wir gingen zum Fluss. »Da habe ich das Haarband gefunden«, sagte ich. »Gleich daneben war ein riesiger Stiefelabdruck. Ich habe ein bisschen dazu recherchiert, aber es war ein gängiges Profil, das bringt nichts. Und wo haben sie gesagt, haben sie den Schuh gefunden?«
    Sie führte mich am Ufer entlang. Das Licht fiel durch die Bäume, es war wunderschön hier. Zugleich war ich mir ziemlich sicher, dass hier ein elfjähriges Mädchen entführt und möglicherweise getötet worden war. Das ruinierte all die Naturschönheit so ziemlich, wenn ich ehrlich bin. Nach einem etwa fünfminütigen Spaziergang blieben wir an einem Absperrband der Polizei stehen. Überall waren Fußspuren, von Hunden und Menschen. Offenbar waren sie mit einer ganzen Armee angerückt. Auch hier hatten sie jede Spur, die ihnen entgangen sein mochte, zehnfach zerstört.
    Ich ging zum Absperrband und tat beschäftigt, aber als ich mich nach einer Weile zu Arrow umdrehte, hatte sie die Arme vor der Brust verschränkt und ich sah, dass meine Sam-Spade-Nummer sie nicht überzeugte. »Bis wohin reicht der Wald hier?«, fragte ich.
    »Wenn wir uns beeilen, sind wir in etwa fünf Minuten an einer Straße. Wenn wir den Weg zurückgehen, den wir gekommen sind, dauert es viel länger.«
    »Wenn jemand deine Schwester verschleppt hat, hätte er von hier kommen und dann durch den Wald zur Straße gehen können?«
    »Glaub schon.«
    »Bringst du mich hin?«
    »Gehen wir.«
    Wir redeten nicht, sondern gingen einfach zügig am Wasser entlang. In letzter Zeit hatte es hier viel Fußverkehr gegeben und die weiche Erde am Ufer war von all den Schuhen völlig zertrampelt. Überall waren Abdrücke von Polizeischuhen. Ich sperrte Augen und Ohren auf. Ich suchte nach allem Möglichen, aber ich sah nur Vegetation und Arrow – natürliche Schönheit in beiden Fällen. Die Straße hörte ich schon von Weitem, und ich folgte Arrow die Böschung hinauf zu einer Brücke ganz ähnlich der, an der mein Fahrrad stand. Wir ließen einen Dodge-Transporter vorbei und betraten dann die Fahrbahn.
    Es gab nicht viel zu sehen. Aber

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