Nickel: Roman (German Edition)
Lebensmittelladen. Unterwegs sah ich auf die Uhr – die Schule war vorbei, ich konnte einkaufen.
Letztendlich kaufte ich Pizzaröllchen, einen Beutel Chicken-Nuggets mit Käsefüllung, eine Packung mit diesen verzehrfertigen Möhren, Instantfrühstück von Carnation, Milch,Waschmittel, zwei Laibe Weißbrot, fünf Kartons Makkaroni mit Käse – die Sorte, bei der der Käse schon fertig gerieben in einer Tüte beigefügt ist –, ein Glas Erdnussbutter, zwei Sorten Frühstücksflocken – nicht Cap’n Crunch, davon erholte ich mich immer noch – und eine Packung Müllbeutel. Die Dame an der Kasse wollte plaudern und ich ließ sie. Als ich an der Reihe war, erzählte ich ihr, wofür meine Mutter die Milch brauchte, und dass mein Dad sich wirklich freuen würde, wenn ich ihm auch sein Bier holen könnte. Sie lachte und sagte, das könne sie nicht tun, und ich sagte, das wisse ich, er scheine eben zu glauben, dass ihm das das Leben erleichtern würde. Wir lachten beide und ich bezahlte und packte meinen Kram ein. Ich hoffte, ich hatte mich jetzt genug wie ein Kind benommen. Schauspielern ist schon komisch. Ich muss ein ziemlich guter Schauspieler sein.
Alles passte in den Rucksack. Ich hatte das komische Gefühl, das Brot würde vielleicht nicht mehr ganz so hübsch aussehen, wenn ich es wieder herausholte, aber ansonsten war alles bestens. Ehe ich mich aufs Fahrrad setzte, schulterte ich den Rucksack und prüfte das Gewicht. Wenn es für Menschen ein ähnliches Verfahren wie die Milchpulverherstellung gäbe, würde ich es sofort bei mir anwenden.
Ich fuhr nach Hause, und ich muss sagen, es fühlte sich wirklich gut an. Vielleicht war dieses Fahrrad nicht genau wie mein altes, aber es kam ihm nahe. Es war vielleicht ein bisschen feiner eingestellt, aber ich wusste, dass das nichts mit meiner Montage zu tun hatte. Irgendjemand im Werk musste eine Möglichkeit gefunden haben, hier und da noch ein bisschen Gewicht wegzunehmen und es an anderer Stelle anzubringen.Es ist eine faszinierende Technologie, da bekomme ich immer gleich Lust, an einem Auto herumzuschrauben. Das wäre in ein paar Jahren wirklich ein tolles Sommerprojekt, mein erstes Auto von Grund auf zusammenzubauen. Das Kunststück bestand darin, so lange am Leben und frei zu bleiben. Das Auto zusammenzubauen würde im Vergleich dazu einfach sein. Selbst wenn es völlig zerlegt bei mir ankäme, wäre die Montage immer noch leichter als meine endlosen Schwindeleien.
Gemächlich räumte ich die Lebensmittel ein, schlug Zeit tot, als wäre ich wirklich ein Kind, das eine niedere Arbeit zu verrichten hatte. Zum Glück verärgerte ich damit keine Nudelholz schwingende Mutter mit garstigem Blick und gemeinen Zügen. Die Kehr seite dieser Medaille war natürlich irgendwie auch nicht schön. Ich heizte den Backofen vor und räumte dann den Rest weg. Jetzt schon Pizzaröllchen – o Mann, ich bin so verflucht berechenbar. Ich hatte mir doch geschworen, Makkaroni mit Käse zu essen. Scheiß drauf, Pizzaröllchen klangen richtig gut. Vielleicht hatte ich ja auch ein bisschen Angst, dass ich sie womöglich nicht mehr würde essen können, wenn ich es nicht jetzt tat. Ich verdrängte diesen beklemmenden Gedanken. Quatsch.
Gleich darauf piepte der Backofen, und ich merkte, dass ich fast zwanzig Minuten in der Küche gestanden und ins Leere gestarrt hatte. Mir brummte der Schädel. Ich schnappte mir einen Topfhandschuh und holte das Blech aus dem Ofen, nahm einen Bratenwender und belud einen Teller. Ließ die Röllchen auf dem Teller abkühlen – ich weiß nicht, wie sie das machen, aber die Füllung in den Dingern wird heißer, als wissenschaftlich möglich sein dürfte. Ich bin dem sogar nachgegangen,habe versucht herauszufinden, ob da was dran ist. Ich glaube ja, das ist ein großes Tarnmanöver. Die Wissenschaftler, die für diese Pizzaröllchen zuständig sind, setzen irgendeine Lavatechnologie ein, um Löcher in den Gaumen von hungrigen Kindern zu brennen. Mir fehlt nur noch das Motiv. Ich habe allerdings das Gefühl, dass ich dieses Motiv niemals finden und das Geheimnis der Kernschmelzsnacks nie lüften werde.
Nach dem Essen ging ich ins Büro und überlegte, ob ich angeln gehen sollte. Das neue Fahrrad hatte ein fettes Loch in mein Portemonnaie gerissen und ich hatte meinen Pädoterror in letzter Zeit vernachlässigt. Der Gedanke an all die Pädos, die nur auf den richtigen Jungen warteten, während der
perfekte
Junge zu beschäftigt gewesen war, um ihnen zu
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