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Nie mehr Nacht (German Edition)

Nie mehr Nacht (German Edition)

Titel: Nie mehr Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Bonné
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in der Luft, weit droben über dem Vogel, sah man das, wovon sie erzählt und was ich ihr nicht geglaubt hatte: Ein riesiger Buchstabe, ein M, die Initiale meines Vornamens, flog dort am Himmel. Das Dünengras war dottergelb, die Wolken grün, und die Sonne war rot wie die rote Haube des Grus.
    Mittags konnte ich mich endlich dazu aufraffen, in Wellingsbüttel anzurufen. Mit einem Mal schien im Hotelgarten die Sonne, nur rot war sie nicht, sondern gelb und silbrig, sogar die Borke der Obstbäume schimmerte davon. Vom Licht ließ ich mich ins Freie locken, obwohl ich nicht mal eine Strickjacke anhatte. Ich hätte auch gar nicht sagen können, wo die Jacke war, tief unten in meiner Sporttasche wahrscheinlich, unter Büchern, Stiefeln und Gordian Rogallas Zweimannzelt, in dem für drei nie genug Platz gewesen war. Meine Sporttasche aber würde ich nie wiedersehen, und mit ihr hatte auch meine Strickjacke die Reise ins Endlose angetreten.
    Ich steckte mir eine Zigarette an, fuhr mir durchs Haar und ging hinaus. Die kühle Luft war wundervoll. Fröstelnd stellte ich mich in einen Fleck Sonne, besah mir den verfilzten Rasen, der zum Meer hin leicht abfiel, bis die Mauer ihm Einhalt gebot, wartete, dass meine Mutter an den Apparat ging, und sah meinen Vater vor mir, der das Moos der Hamburger Regensommer dazu nutzte, um sich vom Gartenverächter zu einem versierten, wenn auch verbissenen Vertikutierer zu entwickeln.
    »Markus. Wie geht’s dem Jungen?«, lautete ihre Begrüßung.
    »Es geht uns sehr gut«, sagte ich, »bestens. Und euch? Wie geht’s Papa?«
    »Hier ist alles beim Alten. Schmuddelwetter. Wir haben überlegt, für eine Woche zu den DeWitts zu fahren, aber leider sind sie mal wieder in Griechenland.«
    »Pech. Pech für DeWitts«, sagte ich schnell. »Weshalb fahrt ihr nicht trotzdem? Der Bodensee –«
    »Der Bodensee ist der Bodensee. Wir wollen bitte nicht über die DeWitts streiten«, unterbrach sie mich. »Du hältst sie für Ignoranten, aber das sind sie nicht. Erzähl lieber … hast du wirklich das Gefühl, dass es Jesse gutgeht? Was macht er so?«
    Ich antwortete nicht.
    »Markus?«
    Wie deprimierend. Nach kaum fünf Sätzen bekam ich Lust, mich mit einer Erfindung dagegen zu wehren, dass sie mich in die Defensive trieb. Nervös, wie auf der Suche nach einem Fluchtweg, stapfte ich auf dem bettlakengroßen Sonnenfleck umher.
    »Hörst du mich?«
    Eine Erfindung war passiver Widerstand, eine Schonhaltung, die vor Schmerz bewahren sollte, doch das nicht wirklich tat.
    »Er hat die halbe Nacht lang getrunken, vielleicht auch Haschisch geraucht oder Tabletten geschluckt. Allerdings nicht allein, sondern mit Niels, den du ganz richtig eingeschätzt hast, und mit seiner Freundin, Niels’ älterer Schwester Margo, ihretwegen ist er eigentlich hier. Er schläft noch, alle drei schlafen sie noch ihren Rausch aus« – hätte ich sagen können und vielleicht sogar sagen müssen.
    Stattdessen sagte ich: »Er hilft.«
    Und meine Mutter: »Jesse? Wobei?«
    »Das Hotel ist alt, älter als wir dachten. Es war seit Jahren keiner hier. An ein paar Stellen ist das Dach undicht, und zwei, drei Fenster sind auch kaputt. Juhls halten das Haus sauber, heizen, kümmern sich um den Garten und kleinere Reparaturen, und die Jungs und die ältere Tochter helfen und verdienen sich damit ein bisschen was.«
    »Du willst mir aber nicht sagen, dass der Junge auf dem Dach dieses halb verfallenen Hotels herumklettert.«
    »Er klettert nicht, sondern hilft ausbessern. Höchstens steht er mal auf der Leiter. Eine alte Mauer umgibt das Grundstück. Die hat Risse, und Jesse verputzt sie. Er macht es gut.«
    Ich schnippte die Zigarettenkippe über die Mauer, und sie flog hinein ins Herbsthimmelblau wie eine späte Hummel.
    »Ich will dir glauben, dass du ihn nicht in Gefahr bringst«, sagte meine Mutter, und ich bedankte mich, schüttelte den Kopf und trat aus dem verblassenden Sonnenfleck.
    »Es geht alles so schnell vorbei«, sagte sie. »Stell dir vor: Der kleine Hund von nebenan ist gestorben, schon kurz nachdem ihr weg wart. Plözlich war es ganz still.«
    Armer kleiner wütender Schisser, dachte ich. Wer soll jetzt die Terrassenmarkise ankläffen? Ich fragte, woran der Hund gestorben sei, aber meine Mutter wusste es nicht. Sie hatte nur davon gehört. Mit diesen Menschen sei ja leider nicht zu reden.
    Wieder fing sie von DeWitts an, die nach Folegandros abgeschwirrt waren, und erzählte dann von Karen Lewandowski, dass die in

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