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Nie mehr Nacht (German Edition)

Nie mehr Nacht (German Edition)

Titel: Nie mehr Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Bonné
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den Rapidographen hatte sie sich wirklich gefreut. Ganz verblüfft hatte sie den Tuschzeichner aufgeschraubt und die schwarze Spitze sehr genau untersucht.
    »Nur ist ja Padmé Amidala keine Jedi-Kriegerin«, hatte sie fast ein bisschen eingebildet gelacht. »Die hat kein Laserschwert!«
    Als Maybritt meine Versunkenheit bemerkte, tippte sie mich an und fragte, ob alles okay sei. Ich nickte und versuchte ein Lächeln. Und sie zählte auf, was sie sich in Bayeux vorgenommen hatte: einen schönen Barsch kaufen; dazu Endiviensalat; frische Kartoffeln vom Bauern; endlich dunkles Brot! Die Kathedrale würde sie gern sehen, wenigstens von außen. Und vielleicht fand sie einen Friseur, einen Coiffeur, der ihr die Spitzen schnitt.
    »Oh nein«, sagte Cat.
    »Oh ja«, sagte ihre Mutter.
    »Margo kann sie dir schneiden, vor dem Spiegel. Sie sieht ja aus wie du.«
    »Fast zumindest. Alles andere wäre auch komisch, oder? Und du wirst auch bald so aussehen.«
    »Nein«, sagte Catinka fest, »ich werde anders aussehen.«
    Wir folgten den Wegweisern zu einem Parkplatz in Innenstadtnähe. Da stand die Kathedrale. Romanisch. Quatsch, gotisch. Egal. Sie war blassgelb, mit dunklen Flecken, eine Kirche wie eine im Gras liegende schwangere Giraffe, meinte Cat.
    Niels wurde von seiner Mutter nach dem Computerspiel gefragt, für das ich mich interessierte, und er wiederholte, was er mir erzählt hatte: Das Spiel, in dem die Pegasusbrücke vorkam, war uralt, und er hatte es in Hamburg gelassen.
    »Wollt ihr gucken, ob ihr es findet?«, fragte sie. »Kauft es, ich spendier’s euch. Bestimmt gibt es so ein Mediensupermarktdingsbums, wie heißen diese Läden hier doch gleich alle?«
    » FNAC «, sagte Cat einen Tick früher als Niels.
    Sie würde die Lebensmittel einkaufen, sagte Maybritt, ein bisschen rumbummeln, sich die Haare schneiden lassen, einmal um die Kirche flitzen und eine Postkarte an Oma Nive schreiben. Etwas für sich sein wollte sie, während wir zu FNAC gingen. Bestimmt gab es da auch Star Wars -Artikel.
    In anderthalb Stunden also vorm Haupteingang der Kathedrale. Maybritt verabschiedete sich, sie winkte kurz, dann eilte sie durch die Fußgängerzone davon, und Niels nahm seine kleine Schwester an die Hand und folgte mir. Ich hob mir den Rucksack über die Schulter und begann nach einem unbeobachteten Fleck Ausschau zu halten.
    Wie viele Leute in der kleinen Stadt unterwegs waren. Auch Niels staunte, oder tat so. Er wirkte beklommen, vielleicht weil wir uns zwar schon lange kannten, aber noch nie allein, ohne Jesse, etwas zusammen unternommen hatten. Aber vielleicht fühlte er sich auch nur genauso fremd. Einmal fragte er laut, was wohl all die Leute hierhertrieb, und hielt dabei Cat so fest, dass sie sich beschwerte, sich von ihm losmachte und an meine Seite kam.
    »Was sollen die schon wollen«, sagte sie, »das Gleiche wie wir. Du Blödi. Du hast mir wehgetan!«
    Kurz überlegte ich, ob es Mittwoch oder schon Donnerstag war, sagte mir aber, dass es keine Rolle spielte. In Bayeux musste Wochenmarkt sein. Wir kamen an immer mehr Ständen und Buden vorbei, bis die Einkaufsstraße auf einen Platz mündete, auf dem herbstlich geschmückte Lieferwagen, Verkaufsanhänger und Zeltdächer Gassen bildeten, durch die lauter Menschen strömten und Fisch, Obst, Käse, Honig oder Brot kauften. Ein Taubenschwarm kreiste über den Dächern. Und irgendwo spielte Musik.
    »Ich will da nicht durch«, sagte Niels. »Wir können drumrumgehen«, und er zeigte auf ein Eckgebäude auf der anderen Marktseite mit den vier Buchstaben, die wir suchten.
    Wir gingen hinter den Marktständen entlang, und da waren sie: Landfrauen aus dem Bessin verkauften Gurken und Äpfel, wogen Kartoffeln und banden Blumen. Ich blieb stehen, sah einer der Alten zu und musste an Kevin denken, wie er mir geschildert hatte, was von mir erwartet wurde. Fast poetisch hatte es sich angehört. Antlitze. Die Gesichter von vier Brücken, wesenhaft dargestellt, emporgeholt aus der Tiefe der Zeit. Nicht einfach ein paar alte Bauwerke sollte ich zeichnen, sondern Porträts von ihnen anfertigen. Eine Brückenbefragung wünschte sich Kevin, so wie man alte Bäuerinnen aus der Gegend zu ihren Erinnerungen an den D-Day befragt hatte.
    Ich stellte mir Kevins Gesicht vor, wenn ich ihn in einer Mail davon in Kenntnis setzte, dass ich meinen Auftrag als erfüllt betrachtete. Ich hatte die Pegasusbrücke befragt. Doch sie hatte mir nichts verraten, und ich ging davon aus, dass mir auch

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