Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nie Wirst Du Entkommen

Nie Wirst Du Entkommen

Titel: Nie Wirst Du Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
Vom Netzwerk:
wollen, kamen die Worte als ein Knurren heraus.
    Der Mann blinzelte überrascht. »Das ist Tess Ciccotelli, Detective. Sie …«
    »Wir wissen, wer sie ist«, sagte Aidan eisig. »Und jetzt lassen Sie sie los.«
    Mit gerötetem Gesicht tat der Officer es und wich zurück, nicht ohne Tess einen verächtlichen Blick zuzuwerfen, den sie jedoch nicht bemerkte. Murphy schälte einen Gummihandschuh ab, nahm sie bei der Schulter und zupfte sanft. »Kommen Sie, Tess«, murmelte er. »Sie können im Augenblick nichts tun. Ich rufe jemanden an, der Sie nach Hause bringt.«
    Sie schüttelte Murphys Hand ab. »Er hat seinen Sohn verloren«, sagte sie, als habe sie Murphy nicht gehört. »Seinen kleinen Sohn.« Sie hob den Blick zu Aidan, und in diesem Augenblick war jeder Rest Zweifel an ihrer Unschuld einfach … ausgelöscht. Ihre Augen waren voller Trauer. Und Wahrheit.
    »Wie ist es passiert?«, fragte Aidan ruhig. Und sah, wie ihre Kehle unter dem Schal, den sie um den Hals trug, arbeitete. Er hatte sich in ihr getäuscht. Dessen war er sich jetzt sicher.
    »Es war letzten Sommer«, murmelte sie. »Da war es so heiß, wissen Sie noch? Er wollte gerade zur Tür hinaus und zur Arbeit, als seine Frau ihm sagte, er sei dran, das Kind zum Kindergarten zu bringen.« Ihr Blick sank erneut zu Winslows Leiche, und sie biss sich auf die Lippe, als sie zu zittern begann.
    Aus dem Augenwinkel sah Aidan, dass Johnsons Hand verharrte und Jack Unger sie am Türrahmen aufmerksam beobachtete. Doch Ciccotelli schien nichts zu bemerken und redete weiter. Ihre Stimme klang so körperlos, dass es ihm die Haare im Nacken zu Berge stehen ließ.
    »Er wollte nicht. Er hatte noch zu tun und war schon spät dran. Sein Kopf war voll mit den Terminen des Tages, aber er tat es dennoch, weil er sich mit seiner Frau die Kindererziehung teilte und er …« Sie schluckte wieder. »Und er seinen Sohn liebte. Also schnallte er den Jungen im Kindersitz fest und fuhr los. Der Verkehr war dicht und hielt ihn noch mehr auf. Er legte zur Beruhigung eine CD ein. Endlich kam er bei der Arbeit an und rannte hinein. Die Kunden warteten schon. Aber in diesem ganzen Stress hatte er seinen Sohn vergessen. Bis er ein paar Stunden später einigen Aufruhr draußen bemerkte. Auf dem Parkplatz standen Polizei und ein Krankenwagen. Einer der Officer zertrümmerte ein Autofenster.«
    Sie schloss die Augen. »Es war sein Minivan – Mr. Winslows –, und der Junge war noch drin. Es hieß, die Temperatur drinnen sei auf über achtzig Grad gestiegen. Das kleine Kind war …« Ihre Stimme verebbte, und sie schüttelte den Kopf, nicht in der Lage, weiterzusprechen. Aber das brauchte sie auch nicht. Das Bild, das sie ihnen gezeichnet hatte, war nur allzu lebendig. Aidan konnte sich die Hilflosigkeit, die Verzweiflung des Vaters vorstellen, der versehentlich sein Kind umgebracht hatte. Und der Gedanke an einen Vater, der nach solch einem Erlebnis eine Babypuppe im Ofen entdeckte, zog ihm alle Innereien schmerzhaft zusammen.
    »Sie versuchten, den Kleinen wiederzubeleben, während Avery danebenstand, aber es war zu spät«, endete sie schließlich. »Sein Sohn war schon seit mindestens zwei Stunden tot.«
    Aidan sog bebend die Luft ein. Das war jetzt nicht der Zeitpunkt, an all seine Nichten und Neffen zu denken – daran zu denken, wie viel seine Brüder meistens zu tun hatten. Dass so etwas Furchtbares auch treusorgenden Eltern passieren konnte. Aber er dachte dennoch daran. Und weil er es tat, musste er sich räuspern. »Wann ist er zu Ihnen gekommen?«
    »Nachdem er den ersten Selbstmordversuch unternommen hatte. Seine Frau hatte ihn da schon verlassen. Er … er hasste sich selbst. Und alle Menschen in seinem Umfeld gaben ihm die Schuld.« Sie schlug die Augen auf und begegnete seinem Blick. »Es war ein Unfall, Detective. Ein grausamer, scheußlicher Unfall.«
    Johnson hatte sich geräuschlos an die Arbeit gemacht. »Detectives, da liegt etwas unter ihm«, sagte er und holte eine flache Schachtel unter der Leiche hervor.
    Murphy nahm sie und öffnete sie. Er sah verwirrt auf und hielt die Schachtel hoch, so dass die anderen den Inhalt sehen konnten. »Eine CD . ›Phantom der Oper‹. Aber wieso?«
    Sie zuckte so heftig zusammen, als habe sie einen Stromschlag bekommen. Ihre Fingerspitzen pressten sich auf die Lippen. »Das war die Musik, die er an dem Tag im Auto gehört hat. Er sagte, er habe sich beruhigt, indem er lautstark ›Music of the Night‹ mitgesungen

Weitere Kostenlose Bücher