Nie Wirst Du Entkommen
Fliegenpapier wurde immer klebriger.
Dienstag, 14. März, 12.35 Uhr
I ch bin noch nicht fertig«, fauchte Burkhardt, bevor Aidan oder Murphy noch etwas sagen konnte.
»Wir wollten Sie auch nicht drangsalieren«, sagte Aidan und holte eine weiße Papiertüte aus seiner Tasche. »Allerdings wollten wir Sie bestechen.«
Burkhardt zog eine Braue hoch. »Was ist da drin?«
Aidan hielt die Tüte so, dass sie sich gerade außerhalb seiner Reichweite befand. »Baklava. Und zwar richtig gutes.« Eigentlich hatte Aidan sich das süße Zeug selbst am Nachmittag zu Gemüte führen wollen, aber Burkhardt wirkte frustriert und außerdem so zerzaust, als habe er sich die Haare gerauft. Fliegen fing man mit Honig, hatte Aidans Mutter immer gesagt, und Baklava triefte förmlich davon.
Burkhardt runzelte die Stirn. »Sie kämpfen mit schmutzigen Tricks, Reagan. Okay, her damit.« Er schnappte sich die Tüte und hielt schnuppernd die Nase hinein. »Es gibt Nuancen.«
»Was heißt das, Nuancen?«, fragte Murphy.
»Das heißt, dass ich bei gewissen Lauten Unterschiede ausmachen kann, aber sie kommen auf dem Band nicht oft genug vor, dass ich mir sicher sein könnte. Diese Imitatorin ist sehr, sehr gut.« Er zögerte, sah Aidan, dann Murphy an. »Seid ihr Jungs sicher, dass eure Seelenklempnerin nicht schuldig ist?«
Aidan konnte Murphys Zähne knirschen hören. »Wir sind sicher«, presste Murphy hervor.
Burkhardt zuckte die Achseln. »Tja, dann hat diese Frau Ihre Ärztin ziemlich perfekt eingeübt.«
Der Begriff »Imitatorin« hatte bei Aidan etwas ausgelöst, und Bilder von schlechten Richard-Nixon-Imitationen zogen durch sein Bewusstsein. »Sie glauben, Sie könnte ein Profi sein?«
Burkhardt zuckte wieder die Achseln. »Vielleicht. Es ist einen Versuch wert. Die besten Imitatoren landen meistens im Comedy-Bereich. Ein paar davon sind Stimmgeber für Trickfilme, aber man findet in Chicago nicht allzu viele.«
»Theater-Schauspielerinnen haben auch Stimmtraining«, sagte Murphy nachdenklich. Er nahm den Umschlag mit den Kassetten aus der Tasche und gab ihn Burkhardt. »Aber wir sind tatsächlich nicht gekommen, um Sie zu drängen oder zu bestechen. Können Sie uns in die mal reinhören lassen?«
Burkhardt schüttelte die Mikrokassetten auf seine Hand. »Nicht mit meiner Ausrüstung.« Er ging zu einem Schrank und wühlte darin herum, bis er ein kleines Diktiergerät in der Hand hielt. »Etwas Besseres habe ich im Augenblick nicht.« Er schob eine Kassette in das Gerät und drückte auf Play.
Aidan legte die Stirn in Falten, als ein schriller Schrei erklang. »Was ist denn das?«
Burkhardt hielt sich den Lautsprecher ans Ohr. »Klingt wie, ›Cynthia, Cynthia, warum hast du das getan?‹« Er gab den Rekorder mit einer Grimasse an Aidan weiter. »Irgendwie unheimlich. Wie ein kleines Kind, aber es ist schwer, das genau zu sagen. Diese kleinen Kisten sind qualitativ nicht gerade erste Sahne.«
Aidan lauschte, spulte zurück, lauschte wieder. »Cynthia Adams hat die Kassetten zwei Tage vor ihrem Tod in den Safe gelegt.« Er warf Murphy einen Blick zu. »Die Lautsprecher.«
»Du hast recht«, sagte Murphy grimmig. »Unser Täter wollte Cynthia glauben machen, dass ihre Schwester sie aus dem Grab gerufen hat. Fragt sich nur, warum sie das aufgenommen hat.«
»Vielleicht, weil sie befürchtete, ihren Verstand zu verlieren, und Angst hatte, es jemandem zu sagen. Tess meinte, Adams war gut darin, zu leugnen, was sie nicht wahrhaben wollte. Sie wollte nicht glauben, dass sie Stimmen hörte, und mit den Bändern hätte sie beweisen können, dass es nicht nur in ihrem Kopf stattfand.«
Murphy sah Burkhardt an. »Wenn das dieselbe Frau gewesen ist, können Sie die Stimme dann mit der anderen Probe vergleichen?«
Er nickte. »Wie gesagt, die Qualität ist lausig, aber ich gebe mein Bestes.«
Aidan betrachtete die Kassetten. »Was ist mit der anderen Nachricht? Die, in der Adams gedrängt wird, Ihre E-Mails abzurufen? Haben Sie die schon analysiert?«
Burkhardt runzelte die Stirn. »Von der weiß ich nichts.«
Murphy schüttelte verärgert den Kopf. »Wir waren so auf Tess’ Nachricht fixiert, dass wir die ganz vergessen haben.«
»Na ja, jetzt weiß ich es ja. Ich besorge sie mir von Jack, und vielleicht haben wir dann bald etwas Aussagekräftiges.«
Dienstag, 14. März, 15.15 Uhr
Mrs. Lister schluchzte verzweifelt und wütend. Aber für Tess’ Ohren war das Musik. Seit Monaten kam diese Frau mit Symptomen zu ihr,
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