Nie zuvor so geliebt
„Wie Sie bestimmt erraten haben, bin ich sein Vater. Und Sie sind…?”
„Maribeth O’Brien”, erwiderte sie aus Gewohnheit.
„Maribeth Cochran”, korrigierte Chris. „Maribeth und ich haben heute morgen geheiratet.”
Was immer Kenneth bei dieser Enthüllung empfinden mochte, er verbarg es äußerst geschickt. Sein Blick glitt zu Chris. Seine Stimme, die er so geschickt einsetzte wie ein begnadeter Musiker, der ein Instrument spielt, wies nun einen Anflug von Belustigung auf.
„Ach, wirklich? Ich könnte schwören, du hast mir gesagt, dass du zur Hochzeit eines Schulkameraden gehst. Was ist passiert? Hat dich plötzlich auch der Virus gepackt?”
Maribeth traute ihren Ohren kaum. Das Gespräch wirkte äußerst bizarr. Es schien, als ob der Vater sich über die Hochzeit seines Sohnes lustig machte. Sie blickte zu Chris, um seine Reaktion zu ergründen, aber wie sein Vater verriet er seine Gedanken nicht.
„So ähnlich”, sagte er nur. „Ich möchte mir gern ein paar Tage freinehmen, wenn es dir recht ist. Vielleicht kann Sam für mich einspringen, in Anbetracht der Umstände.”
Kenneth ignorierte weiterhin Chris’ Bitte. „Recht plötzlich, nicht wahr?” Diesmal wirkte der Blick, mit dem er Maribeth musterte, geradezu provozierend. Sie fühlte sich, als würde er alles an ihr abschätzen, von der Farbe und Struktur ihrer Haare über ihre Kleidung bis hin zur Größe ihrer Füße. „Kennt ihr beide euch schon lange?”
Maribeth war sich nicht sicher, wen er ansprach, aber es war nicht wichtig, weil Chris unverzüglich erwiderte: „Lange genug.” Seine Stimme klang völlig ausdruckslos.
Kenneth lachte kurz auf und wandte sich an die beiden Männer in seiner Begleitung. „Ich schwöre, dass mir das Kind von Tag zu Tag ähnlicher wird.”
Maribeth erschauerte unwillkürlich. Sie konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen als einen Mann wie ihn. Allmählich verstand sie die bitteren Bemerkungen von Chris’ Mutter.
Kenneth Cochran war der furchteinflößendste Mann, dem sie je begegnet war. Wie mochte es gewesen sein, mit ihm verheiratet zu sein?
Kenneth drehte sich wieder zu ihnen um. „Verdammt, Chris, du kannst deine Flitterwochen ebensogut in Atlanta wie in Dallas verbringen. Sogar noch besser. Ich bringe dich in der luxuriösesten Suite unter, die es dort gibt. Wenn wir erst mal gelandet sind, brauchst du nichts mehr für mich zu tun, bis wir nach Miami fliegen. Was könnte besser sein?”
Maribeth spürte die Spannung, die von Chris ausstrahlte. Sie wusste nicht recht, ob er verärgert war oder ob es ihm nicht gefiel, seinen Vater um etwas bitten zu müssen.
Sie wollte nicht der Grund für Unstimmigkeiten zwischen den beiden sein. „Das könnten wir doch tun, oder, Chris?” Sie lächelte Kenneth an. „Ich war noch nie in Atlanta.”
Er lachte. „Das überrascht mich gar nicht. So, wie Sie aussehen, Honey, würde ich sagen, dass Sie gerade erst ausgeschlüpft sind.” Er zwinkerte Chris zu. „Du hast die richtige Einstellung, mein Sohn. Nimm dir die Frauen jung und unterrichtete sie selbst, stimmt’s?”
Ein Schauer durchfuhr Chris, und einen Moment lang fürchtete sie, er würde sich auf seinen Vater stür zen. Er tat es nicht. Statt dessen wartete er einen Moment, bevor er sich zu ihr umdrehte. Er lächelte, aber seine Augen funkelten vor Zorn.
„In dem Fall”, sagte er, so als hätte sein Vater nicht gesprochen, „fliegen wir heute abend nach Atlanta. Wenn du wirklich meinst, dass es dir gefällt.” Er blickte zu den beiden anderen Männern hinüber, bevor er sich an seinen Vater wandte. „Ich muss mir saubere Kleidung holen. Ich habe nur ein paar Sachen mitgenommen, als ich Anfang der Woche abgefahren bin.
Ich habe damit gerechnet, dass wir erst morgen früh fliegen und ich neu packen kann.”
Kenneth griff in seine innere Brusttasche und nahm seine Brieftasche heraus. „Dazu ist jetzt keine Zeit. Hier. Du und deine kleine Frau könnt einkaufen gehen, sobald wir in Atlanta angekommen sind.” Er reichte Chris ein Bündel, das wie mehrere Hundertdollarscheine aussah.
Als Chris es nicht nahm, faltete Kenneth es gelassen zusammen und steckte es ihm in die Hemdtasche. „Betrachte es als mein erstes Hochzeitsgeschenk. Ich bin stolz auf dich, mein Sohn. Du hast endlich einmal einen Rat von mir angenommen. Welch Wunder! Ich muss zugeben, dass du mich überrascht hast. Bislang hast du nie viel Interesse daran gezeigt, ein pflichtbewusster Sohn zu sein.” Er blickte
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