Niedersachsen Mafia
das ist ein Beispiel dafür, wie man Menschen aus dem
Weg räumt. Ein junger Polizeibeamter musste sterben, weil er zufällig etwas
aufgeschnappt hatte, was er gar nicht richtig beurteilen konnte. Die
Hintermänner glaubten aber, er wüsste viel mehr und würde eine Gefahr für sie
darstellen. Und Sie«, dabei zeigte sie auf Richter, »sind einer der
Drahtzieher. Und trotzdem bangen Sie um Ihr Leben.«
»Sie soll damit aufhören!«, sagte Richter überlaut.
»Wollen Sie bei Richter nicht die gleiche Taktik anwenden wie bei
Simone Bassetti? Den haben Sie überredet, sich des Mordes für schuldig zu
erklären.«
Carretta bewegte seinen Zeigefinger hin und her. »Nicht des Mordes.
Bei Bassetti war es ein Totschlag im Affekt.«
»Und das gleich in zwei Fällen? Manfredi und Manuela Tuchtenhagen?
Ich hätte Sie für klüger gehalten, Herr Dr. Carretta. Bassetti wird genauso
wegen Mordes verurteilt werden wie Richter. Ihr Stern sinkt. Wäre es nicht
klüger, in Ehren abzutreten und den wohlverdienten Ruhestand zu genießen? Sie
beginnen, Fehler zu machen. Das mag die Organisation nicht.«
»Es reicht!«, sagte Dottore Carretta barsch.
Frauke war zufrieden. Es war ihr gelungen, den so selbstsicher
auftretenden Anwalt zu reizen. Und wer nervös war, beging eher einen Fehler.
»Kommen wir zur Sache. Wir haben Richters Telefon analysiert. Von dem
Apparat aus ist ein Gespräch mit Bassetti geführt worden. Der wiederum hat
gleich darauf in Tuchtenhagens Wohnung angerufen, während die Polizei dort
anwesend war, und das Gerücht gestreut, dass Manuela Tuchtenhagen flüchtig ist
und ihr Ehemann sie mit dem Notwendigsten versorgt hat. Das, Richter, war ein
Fehler, denn davon wusste nur die Polizei. Nur Ihnen war bekannt, wo Putensenf
und ich waren. Ebenso haben wir einwandfrei nachgewiesen, dass Sie in der
Niki-de-Saint-Phalle-Promenade waren, als Putensenf Sie anrief. Deshalb waren
Sie auch daran interessiert, den Fall selbst zu bearbeiten und nicht an die
Mordkommission abzugeben. So konnten Sie selbst auf die Ermittlungen Einfluss
nehmen. Es ist schon außergewöhnlich, dass ein Hauptkommissar die Ermittlungen
in einem Mordfall leitet, den er selbst begangen hat. Das haben Sie sich gut
ausgedacht. Wie vieles andere auch, meine Herren.«
Frauke klopfte auf die Tischplatte. »Doch Sie werden scheitern.
Dafür machen Sie zu viele Fehler.« Dabei zeigte sie auf Dottore Carretta.
»Woher kannte Bassetti von Wedells Handynummer? Das war Richters Fehler, dass
er sie an Bassetti weitergegeben hat. Ich habe Erkundigungen eingezogen. Lars
von Wedell hat seine Mobilfunknummer laut seiner Freundin wie seinen Augapfel
gehütet. Pech, meine Herren.«
Der Anwalt stand auf und stopfte seine Unterlagen in seine alte,
abgewetzte Aktentasche.
»An dieser Stelle beenden wir das Gespräch«, erklärte er. Ihm war
die Verärgerung deutlich anzumerken. Die Gelassenheit, die er früher zur Schau
gestellt hatte, war von ihm gewichen.
»Ich danke Ihnen beiden für die Informationen, die Sie uns heute
wieder gegeben haben.«
Carretta und Richter wechselten rasch einen Blick. In Richters Augen
spiegelte sich Ratlosigkeit wider. Er verstand genauso wenig wie der Advokat,
was Frauke vorgeblich in diesem Verhör herausgehört haben wollte.
Genau das fragte Thomas Schwarczer, als die beiden Beamten zum
Landeskriminalamt zurückfuhren.
»Mir kam es darauf an, die Gegenseite zu verunsichern. Manches von
dem, was ich vorgebracht habe, basiert noch auf Vermutungen. Carretta hat mit
Sicherheit guten Kontakt zur Führungsebene und wird dort nicht nur über unsere
Aktionen, sondern auch das Verhalten der Leute sprechen, die wir schon dingfest
gemacht haben. Die Drahtzieher fürchten nichts mehr als Verräter. Außerdem
stört es die Herrschaften empfindlich, dass wir in ihre Geschäfte hineinwirken
und peu à peu ihre Kreise stören. Und genau damit werden wir weitermachen.«
Dann besann sich Frauke. »Wie hieß die Frau, die Massimo Trapattoni
das Alibi für die Tatzeit gegeben hat, ich meine, für den Mord an Friedrich
Rabenstein?«
»Agnezia Boronin«, antwortete Schwarczer. »Sie möchten die Adresse?«
Frauke nickte.
Schwarczer nahm Kontakt zur Dienststelle auf. Kurz darauf sagte er:
»Die wohnt in der Eichstraße. Das ist in der Oststadt.«
»Dann besuchen wir die Dame«, entschied Frauke.
Hannover überraschte sie immer wieder aufs Neue. Diese Wohngegend in
der Oststadt lag nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt. Trotzdem sah es
so
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