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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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geliebt habe, und daß man als Mann eben von Zeit zu Zeit mit einer Frau schlafen muß . Das hat überhaupt nichts Persönliches zu tun mit der Frau, mit der man schläft. Wenn man die Wahl zwischen einer vermutlich halbwegs anständigen Frau und einer deklarierten Hure hat und wenn diese Frau sich einem anbietet, dann schläft man eben mit ihr und ist’s los für eine Weile, und es macht einen nicht so verrückt. Es gibt Frauen, die können so denken wie Männer und schlafen auch mit einem Mann, ohne daß es eine Sache ist, die sie seelisch irgendwie berührt, ich kenne einige. Aber nicht viele.
    »… keine gibt’s, die schön’re hat. Nein, das ist nicht übertrieben, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben …«
    Etwas ist komisch: Der Gedanke, daß ich nun wieder mit Sylvia werde schlafen müssen, bereitet mir Unbehagen. Die Aussicht, mit einer Frau zu schlafen, die ihr aufs Haar gleicht, macht mich im Gegenteil noch verrückter, als ich schon lange bin.
    Carmen trägt ein flammend rotes, tief ausgeschnittenes Kleid. Es ist Sylvia, die da vor mir sitzt und mit mir spricht – und es ist eben doch eine ganz andere Frau, und alle Liebe, deren ich je fähig sein werde, gehört wiederum einer anderen Frau, die weit, weit weg ist, in Nürnberg. Ganz schön verrückt.
    »… hübsch ist es, sie auszuführen, beim Spazieren paradieren. Mit den Kleidchen bunt aus Seide, sind sie eine Augenweide …«
    Wenn Carmen sehr laut dabei ist, so laut wie Sylvia, denke ich, werden die Kinderlein unten ihre Freude haben. Dann denke ich an alles, was mir Carmen erzählt hat. Von der furchtbaren Öde ihrer Tätigkeit in der Export-Import-Firma. Davon, daß alle immer gesagt haben, wie unheimlich ähnlich sie Sylvia Moran sieht. Wie sehr sie Sylvia Moran verehrt. Daß sie natürlich auch viel, so viel von Babs und mir gelesen und gehört hat. Es stört sie nicht, mit mir ins Bett zu gehen. Mich stört’s auch nicht. Carmen hat mir gesagt, sie wisse genau, daß eine Frau mit einem Mann vom Film, der sie engagiert, ins Bett gehen muß, und daß sie darum auf alle Fälle gestern, bevor sie sich vorstellte, noch in der Stadt die kleine Karte geschrieben hat. Sie hat nicht gewußt, wem sie sie geben wird. Nun bin ich es.
    Scheint eine phantastische Angelegenheit für Carmen zu bedeuten, daß sie mit Philip Kaven schlafen wird. Keine Gefahr, niemals wird sie ein Wort darüber verlieren, ich bin absolut ungefährdet. Wie alle dummen schönen Gänse glaubt natürlich auch Carmen, daß sie die Leiter zum Ruhme erklimmen wird. Die erste Stufe hat sie schon geschafft. Wenn sie quatscht, das weiß sie, ist sie wieder runter von der Leiter. Sie wollte immer Schauspielerin werden, hat sie mir erzählt. Nun ist sie davon überzeugt, daß sie es werden wird. Irgendein ganz großer Boss wird das Double der Moran bei Dreharbeiten sehen und dann – na, das ist ja wohl völlig klar, dann steht der Weg nach Hollywood offen. Selbstverständlich.
    »… und weil keines laufen kann, trag ich sie am Arme dann«, singen die Kinder unter uns. Anschließend großer Jubel. Papiertrompeten. Knallfrösche …
    Carmen hat das Inserat in »ABC« gelesen, und sofort wußte sie: Die Stunde, auf die sie schon so viele Jahre gewartet hat, ist gekommen. Zuerst mit der Straßenbahn und dann mit einem der Autobusse ist sie zu den alten Studios hinausgefahren. Und sie weiß: Das ist der Anfang eines neuen Lebens! Carmen ist so aufgeregt, so glücklich, so dankbar.
    »Trinken Sie doch noch etwas«, sagt sie zu mir. Sie sagt nur ›Sie‹ zu mir, sie wird es auch im Bett tun, davon bin ich überzeugt. Sie steht auf. »Ich komme gleich wieder«, sagt Carmen und verschwindet im Schlafzimmer. Ich trinke weiter Chato und höre das Kindergeschrei unter mir. Vom HILTON aus habe ich versucht, mit Ruth zu telefonieren; aber man hat sie nicht finden können. Ich habe – und das ist sehr sonderbar, das kann wahrscheinlich nicht einmal ein Mann begreifen, ich jedenfalls kann es nicht –, ich habe der Telefonistin da im Sophienkrankenhaus zu Nürnberg die Telefonnummer des Madrider Hotels gegeben, in dem Carmen wohnt und in dem ich nun bin, und habe gesagt, ich werde mich heute bis sehr spät zu einer Besprechung hier aufhalten und lasse Frau Dr. Reinhardt bitten, für den Fall, daß irgend etwas Wichtiges vorfällt, mich hier anzurufen. Reine Routine. Anschließend habe ich Sylvia in Paris angerufen und ihr gesagt, Babs gehe es so gut, daß sie in zwei, drei Wochen

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