Niemand kennt mich so wie du
glaube, ich hasse ihn!»
«Gut! Das ist sehr gesund. Ich bin stolz auf dich.»
Nach dem Auszug ihrer Mutter hatte Daisy haargenau das getan, was ihr Vater von ihr verlangt hatte. Sie weigerte sich, mit ihr zu sprechen, ignorierte sämtliche Anrufe stoisch, genau wie Declan es befohlen hatte. Sie erledigte akribisch all die Aufträge, um die ihr Vater sie bat, und zeigte sich von ihrer allerbesten Seite. Sie hielt den Mund und forderte nichts. Sie fragte sich, was sie falsch gemacht hatte, was ihn dazu gebracht haben mochte, sie so plötzlich anzurufen und ihr zu mitzuteilen, dass er sie nicht weiter bei sich haben wollte.
«Ruf deine Mutter an. Sag ihr, sie soll dich abholen.»
«Aber, Dad?»
«Los, fang an zu packen. Sobald sie in dieses Haus gezogen ist, ziehst du aus!»
«Aber, Dad!»
«Daisy!» , brüllte er. «Du tust, was ich dir sage! Ruf diese Schlampe an, die sich deine Mutter schimpft, und sag ihr, dass du bei ihr einziehst. Und zwar augenblicklich!»
Daisy war fassungslos. Es fühlte sich an, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt. Sie zitterte, als sie ihre Mutter anrief. Sie hasste ihre Mutter dafür, dass sie gegangen war, doch gleichzeitig vermisste sie die Freude und die Leichtigkeit, die sie immer verbreitet hatte. Ohne sie war in ihrem Zuhause alles düster und leer. Sogar wenn Declan nicht rumbrüllte, sondern versuchte, sich wie ein richtiger Vater zu benehmen, sah man ihm an, wie viel Mühe ihn das kostete. Daisy hatte Mitleid mit ihrem Vater, auch wenn sie das nicht davon abhielt, sich heimlich vorzustellen, wie es wäre, ihn zu verlassen. Doch als er sie dann selbst hinauswarf, war sie völlig verzweifelt. Er hatte den Kindern gesagt, wie sehr er sie brauchte und liebte, und jetzt befahl er ihr zu verschwinden. Was habe ich denn getan? Erst ließ ihre Mutter sie im Stich, und jetzt warf ihr Vater sie raus. Lily hatte versucht, sie zu trösten, doch erstens hatte sie kein Wort verstanden, weil sie so weinen musste, und zweitens glaubte sie ihrer Mutter sowieso kein Wort mehr. Nach dem Telefonat legte Daisy sich aufs Bett und weinte sich in den Schlaf. Als sie die Augen schloss und wegdöste, war es erst fünf Uhr nachmittags. Sie wachte nicht auf, als ihr Vater um sieben nach Hause kam und sich in der Mikrowelle ein Fertiggericht aufwärmte, und sie schlief weiter, als Scott die Treppe heraufpolterte, um sich schnell fertig zu machen, ehe er mit Josh, Cedric und Ethan loszog, um sich zu betrinken. Keiner der beiden sah nach ihr, und es spielte sowieso keine Rolle. Sie schlief, bis der Hunger sie am nächsten Morgen um acht Uhr weckte. Die beiden Männer gingen zur Arbeit, und sie hatte wieder einen langen, einsamen Tag vor sich, an dem sie nichts anderes zu tun hatte, als darauf zu warten, dass sie aus ihrem eigenen Zuhause geworfen wurde.
Lily benahm sich wie ein Tiger im Käfig. Sie konnte es nicht erwarten, endlich das Haus zu beziehen und ihre Tochter zurückzubekommen. An dem Tag, als die Immobilienmaklerin Eve die Hausschlüssel zurückbrachte, bestand Lily darauf, umgehend Daisy abzuholen und ihr das neue Haus zu zeigen. Eve begleitete sie. Lily parkte in der Auffahrt.
«Hübsch hier», sagte Eve.
Lily blieb reglos sitzen. «Und was mache ich, wenn er da ist?», fragte sie.
«Declan ist doch tagsüber nie zu Hause. Und außerdem hast du mich.»
«Nimm es mir nicht übel, Eve, aber du bist ein Krüppel.»
«Ich könnte ihn locker mit meinen Krücken erschlagen.»
Lily lächelte. «Vielleicht ist Declan ja nicht der einzige Soziopath in meinem Leben.»
Eve zuckte die Achseln – selbst dabei tat ihr die Schulter weh. Die neue Physiotherapeutin, die zu ihr ins Haus kam, war eine Art Feldwebel und wollte sich offensichtlich einen Namen damit machen, Eve in Rekordzeit zu kurieren. Die Vorstellung klang zwar verlockend, aber die Wirklichkeit war äußerst unbequem und schmerzhaft. Irgendwas tat ihr nach den Sitzungen immer weh. Aber mit dem nehme ich es trotzdem noch auf.
Lily beschloss, Daisy anzurufen, in der Hoffnung, dass sie abhob. Sie ging tatsächlich nach dem zweiten Klingeln ans Telefon. Als Lily sagte, dass sie vor dem Haus stünde, kam Daisy an ihr Zimmerfenster, und Eve sah Lilys zwölfjährige Tochter hinausspähen. Lily bat sie, mit ihnen zu kommen, um sich das neue Haus anzusehen. Daisy lehnte ab. Sie und Tess seien beschäftigt, und außerdem habe ihr Vater ihr verboten, das Haus zu verlassen. Lily erwiderte, sie würde gerne ihnen beiden das Haus
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