Niewinter 01 - Gauntlgrym
benutzt.« Er stieß einen neuerlichen Seufzer aus. »Und ich war schwach.«
Wieder sah Bruenor seinen Freund an. Drizzt nickte ihm zu.
»Egal«, sagte Bruenor mit fester Stimme und ohne jede Anklage zu Athrogate. »Was geschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen. Aber vielleicht können wir es jetzt in Ordnung bringen.«
»Ich muss es wenigstens versuchen«, erklärte Athrogate.
»Wir auch«, stimmte Bruenor zu. »Nicht nur versuchen, sondern es schaffen. Und jeder, der sich mir in den Weg stellt, soll meine Axt kennen lernen!«
»Aber vorher bekommen sie meine Morgensterne zu spüren!«, rief Athrogate.
Bruenors Beistand war wie ein Jungbrunnen für ihn. Beide Zwerge schauten zu Drizzt, der nur ein trockenes Lächeln zeigte. Er brauchte nichts zu sagen, weil sie es ohnehin wussten: Jeder Feind, dem sie begegneten, würde vor Bruenors Axt und Athrogates Morgensternen mit Drizzts Krummsäbel Bekanntschaft machen.
Als Bruenor Heldenhammer später auf dem Balkon seinen Gedanken nachhing, überlegte er, was vor ihm lag. Er würde Gauntlgrym sehen. Seine lange Suche wäre beendet, seine Vision bestätigt, sein Traum Wirklichkeit. Und dann? Wofür sollte er sich danach noch begeistern?
Oder war dies der letzte Weg? War dies das Ende?
Darüber sann er nach, bis er es akzeptierte. Dann sah er unten auf der Straße ein bekanntes Gesicht.
Shivanni Gardpeck eilte vorbei und traf sich mit Jarlaxle, der mal wieder wie aus dem Nichts auftauchte. Ihren Wortwechsel verstand Bruenor nicht, doch Jarlaxle drückte der Frau wie versprochen eine ziemlich schwere Börse in die Hand.
Als Shivanni durch die Nacht davonlief, sah Jarlaxle zu dem Zwerg hoch. Auf dem Gesicht des Dunkelelfen zeigte sich große Sorge, aber auch Verwirrung.
Jarlaxle stieg die Treppe empor, und Bruenor wartete oben auf ihn.
»Hat unser Freund die Grenze überschritten?«, fragte der Drow.
Diese Frage traf Bruenor unerwartet. Verwundert zog er die Nase kraus und sah den Drow an.
»Drizzt«, erklärte dieser, obwohl es natürlich nicht das war, was Bruenor irritierte.
»Welche Grenze? Was redest du da?«
»Er kämpft … wütender als früher«, sagte Jarlaxle.
»Ja, das geht schon lange so.«
»Seit dem Tod von Catti-brie und Regis.«
»Kannst du es ihm verdenken?«
Jarlaxle schüttelte den Kopf und blickte zur geschlossenen Tür seiner Wohnung. »Aber hat er die Grenze überschritten?«, fragte er noch einmal, wieder an Bruenor gewandt. »Sucht er den Kampf, wenn es nicht nötig ist? Zeigt er keine Gnade, obwohl es möglich wäre? Werden seine Klingen nicht mehr von seinem Gewissen beherrscht, sondern von seinem Zorn?«
Bruenor war noch immer verwirrt.
»Dein Zögern erschreckt mich«, sagte der Dunkelelf.
»Nein«, antwortete Bruenor. »Aber er ist vielleicht nah dran. Warum interessiert dich das?«
»Neugier.«
Das kaufte ihm der Zwerg natürlich nicht ab. »Es sind auch andere Dinge«, sagte Bruenor. »Drizzt meidet die Städte. Wenn wir irgendwo den Winter verbringen, ob in Letzthafen oder früher in Niewinter oder auch nur bei einem Barbarenstamm, wird er unruhig. In Gesellschaft fühlt er sich unwohl. Vielleicht wäre er jetzt in Niewinter wieder glücklich.«
»Weil es dort immer etwas oder jemanden zu bekämpfen gibt«, überlegte Jarlaxle.
»Genau.«
»Er liebt den Kampf.«
»Ist nie davor zurückgeschreckt. Raus damit, Elf. Wieso beschäftigt dich das?«
»Neugier, wie ich schon sagte«, antwortete Jarlaxle und sah noch einmal zur Tür.
»Dann geh und frag ihn selbst. Vielleicht bekommst du eine bessere Antwort«, schlug der Zwerg vor.
Jarlaxle schüttelte den Kopf. »Heute habe ich etwas anderes zu tun.« Der Drow drehte sich um und sprang die Stufen hinunter.
Bruenor lehnte sich auf das Geländer und sah ihm nach, auch wenn Jarlaxle bald verschwunden war. Der Zwerg merkte jedoch, dass das Gespräch ihm noch lange im Kopf herumging – nicht der Grund, weshalb sich Jarlaxle in dieser Weise nach Drizzt erkundigte, sondern was die berechtigten Befürchtungen des Dunkelelfen zu bedeuten hatten.
An den alten Drizzt konnte er sich kaum noch erinnern, stellte Bruenor dabei fest, den Drow, der einen Kampf als unvermeidlich hingenommen hatte. Damals war sein Lächeln der Zuversicht entsprungen, dass dieser Kampf dem entsprach, was sein Herz von ihm verlangte. Er hatte die Veränderung seines Freundes bemerkt. Das Lächeln war irgendwie … böser. Es drückte nicht mehr aus, dass dieser Kampf nun einmal erforderlich
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