Niewinter 01 - Gauntlgrym
umwandte, war alle Leichtigkeit verflogen. »Schlag schnell und wirksam zu, Hexe«, warnte sie, während sie Kozahs Nadel vor sich schob. »Denn du hast nur einen Zauber, bevor ich dich in ein Reich schicke, das so finster ist, dass nicht einmal Szass Tam dich von dort zurückholen kann.«
Syloras Hände zitterten vor nahezu ungezügelter Wut. Natürlich sagte sie kein Wort, aber Dahlia hörte sie trotzdem: Dieses Kind! Diese unverschämte Elfengöre! Ihre kleinen Brüste hoben und senkten sich angestrengt, während sie sich zu fassen suchte.
Dahlia lachte sie aus. »Hatte ich auch nicht erwartet«, sagte sie und lief weiter.
Am Ausgang der Burg taten sich zwei Gänge vor ihr auf. Links lag der Hof, wo Dor’crae mit den Wagen wartete, und rechts rief der Garten mit ihrem zweiten Liebhaber.
Dahlia hatte den Ort gut gewählt, wie ihr klar wurde, als sie an den Rand der Klippe über dem Lager von Erzgo Alegnis Shadovar-Barbaren trat. Um zu ihr zu gelangen, mussten die Barbaren erst eine knappe Meile nach Süden rennen, und die hundert Fuß hohe Klippe lag außerhalb der Reichweite ihrer Waffen und Zauber.
»Erzgo Alegni!«, rief sie.
Sie hielt das Baby in die Höhe. Ihre Stimme hallte von den Steinen wider und wurde durch die Schlucht bis zum Lager getragen.
»Erzgo Alegni!«, schrie sie noch einmal. »Das ist dein Sohn!« Und das rief sie wieder und wieder, während es im Lager unruhig wurde.
Dahlia registrierte, dass ein paar Shadovar nach Süden liefen, doch die stellten keine Gefahr für sie dar. Sie schrie immer weiter. Einige Leute scharten sich tief unter ihr zusammen und starrten nach oben. Bestimmt waren sie überrascht, dass das dumme Mädchen zu ihnen kam.
»Erzgo Alegni, das ist dein Sohn!«, gellte ihre Stimme, als sie das Kind noch höher hielt. Sie hörten sie, obwohl sie hundert Fuß tiefer standen.
Sie suchte zwischen den Männern nach der Gestalt eines Tieflings, als sie erneut nach dem Vater ihres Kindes rief. Sie wollte, dass er sie hörte. Sie wollte, dass er es sah.
Der Ausdruck in Themerelis’ kantigem Gesicht, als sie in den Garten trat, gab ihr Rätsel auf. Es war eine dunkle Nacht, in der nur wenige Sterne zwischen den dicken Wolken hindurchblinzelten, die sich an diesem Abend gebildet hatten. Der kräftige Wind brachte die Fackeln zum Flackern, die den Garten in wild tanzende Schatten tauchten.
»Ich wusste nicht, ob du kommen würdest«, begann der Mann. »Ich hatte gefürchtet …«
»Dass ich ohne richtigen Abschied verschwinde?«
Er wollte etwas erwidern, fand aber keine Worte und zuckte nur mit den Schultern.
»Möchtest du mich ein letztes Mal lieben?«, lockte Dahlia.
»Ich würde mit dir nach Luskan ziehen, wenn du mich mitnimmst.«
»Aber das geht nicht …«
Er kam mit offenen Armen auf sie zu, denn er hoffte auf eine Umarmung. Aber Dahlia trat nach hinten und zur Seite, womit sie mit Leichtigkeit Abstand wahrte.
»Bitte, mein Schatz«, sagte er. »Einen Augenblick, von dem ich zehren kann, bis wir uns wiedersehen.«
»Ein letzter Stachel ins Fleisch von Sylora Salm?«, fragte Dahlia. Auf Themerelis’ Gesicht zeigte sich einen Moment lang Verwirrung, bis ihm der Sinn ihrer Bemerkung klar war. Da wich die Neugier einem ungläubigen Blick.
Dahlia lachte. »Oh, die treffe ich heute Nacht«, gelobte sie, »aber du wirst mich nicht treffen.«
Mit einer fließenden Bewegung schob sie den rechten Arm nach vorn, um dann mit einem Ruck den Stab voll auszufahren.
Themerelis stolperte erschrocken nach hinten.
»Komm, mein Liebling«, neckte ihn Dahlia, die den Stab nun waagrecht vor die Brust hielt. Mit einer leichten Bewegung, die ihr Gegner gar nicht bemerkte, brach sie zwei Gelenke auf, so dass sie nur noch ein vier Fuß langes Mittelstück in den Händen hielt, an dessen beiden Enden an kurzen Ketten zwei Flegel baumelten. Diese zwei Seitenstäbe brachte Dahlia jetzt zum Rotieren, zuerst beide vorwärts, dann einen vorwärts und einen rückwärts. Gleichzeitig begann sie, den mittleren Stab vor ihrer Brust zu drehen und die Enden abwechselnd abzusenken, womit sie das Wirbeln auf der jeweiligen Seite verstärkte.
»Das muss doch nicht …«
»Oh, doch, es muss!«, versicherte ihm die Frau.
»Aber unsere Liebe!«
»Unsere Lust« , stellte sie klar. »Ich war ihrer bereits überdrüssig, und nun werde ich jahrelang fort sein. Komm schon, du Feigling. Du willst doch ein großer Krieger sein – da wirst du doch vor einem zarten Mädchen wie mir nicht kneifen.«
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