Nigger Heaven - Roman
Quadern. Sie konnte dreißigtausend Soldaten fassen und ragte düster auf einer etwa zweitausend Fuß hohen Klippe in den Himmel. Jetzt führt nur noch ein fast unkenntlicher Pfad zu ihr hinauf. Christophe errichtete diese Festung zum Schutz gegen einen etwaigen französischen Angriff auf sein Reich. Sie war mit Bronzekanonen ausgerüstet. Sie sind immer noch dort. Der Regierung von Haiti sind für sie hohe Summen geboten worden, und sie würde sie gern verkaufen, aber man weiß nicht, wie man sie vom Berg heruntertransportieren soll.
Christophes Lösung, die Kanonen und die Riesenblöcke auf den Berg zu schaffen, war einfach und ausgeklügelt. Sie wurden von Menschenhand über steile Klippen und Bergpässe geschleppt. Eines Tages sah er zu, wie einhundert Mann eine Kanone zu ihrem Standort schoben. Ab und zu machten sie eine Pause. Das gefiel dem Kaiser nicht. Er sandte einen Boten, um sich nach deren Ursache zu erkundigen. Die Arbeiter ließen antworten, dass das Geschütz zu schwer für sie sei und dass sie weitere einhundert Mann bräuchten.
Der Kaiser befahl sie zu sich und ließ sie in einer Reihe aufstellen. Dann ließ er jeden vierten Mann hervortreten. Dieser wurde erschossen. Den verbleibenden fünfundsiebzig Männern teilte er ruhig mit, dass er die Kanone an Ort und Stelle erwartete, bevor er sein Mittagessen beendet hätte. Man kam nur wenig vorwärts. Zwei Stunden später teilte man ihm mit, dass die Aufgabe unausführbar sei. Der Kaiser lachte. Stramm stehen, befahl er. Jeder dritte Mann nach vorn. Feuer!
Das nächste Mal wird jeder zweite Mann erschossen, teilte er den Unglückseligen mit. Wenn die Kanone für einhundert von euch zu schwer war, werden fünfzig sie leicht bewältigen.
Was auch geschah.
Ein anderes Mal hatte ein früherer Liebling von ihm seine Gunst verscherzt. Er führte mit ihm ein freundliches Gespräch, während er mit ihm an den Rand der Klippe spazierte. Am Abgrund stehend, befahl er dem Mann zu springen. Dieser sah das mitleidlose Gesicht des Kaiser, begriff, dass bei einer Weigerung noch Schlimmeres geschähe, und sprang. Durch Zufall fing ein unter ihm wachsender Baum den Sturz auf. Mit einem gebrochenen Arm und zerschundenem blutigen Gesicht kroch er zu seinem Gebieter zurück. Sire, sagte er, ich habe den Befehl ausgeführt. Christophe war lakonisch. Spring, befahl er erneut.
Er war hoch gewachsen, schwarz wie Kohle, ein reiner Afrikaner. Ein leidenschaftlicher und hemmungsloser Charakter. Er liebte Glanz und Macht und schuf sich einen Hof und einen Adel. Tapferkeit und Demut rührten ihn nicht. Er regierte fünfzehn Jahre. Als am Ende dieser Periode während einer Revolution seine Leibwächter davonliefen, erhob er sich, verabschiedete sich von seiner Frau und seiner Familie, zog sich in sein Gemach zurück und jagte sich eine Kugel durch den Kopf … Der Kaffee kocht. Holen Sie doch zwei Tassen aus dem Schrank.«
Mary stellte die Tassen und die Kaffemaschine auf ein blaues Tablett und ging Byron ins Wohnzimmer voran. Sie setzte sich und schenkte den Kaffee ein, während er sich in einem Sessel eine Zigarette anzündete.
»Über solche Sachen könnte ich nicht schreiben.«
»Was für Sachen haben Sie denn im College geschrieben?«
»Ach, über dasselbe wie alle anderen auch.«
»Mochten Ihre Lehrer Ihre Texte?«
»Na, sie sagten, um mich zu ermutigen, dass sie für einen Farbigen ziemlich gut wären.«
»Ja, das haben Sie mir schon erzählt. Sie sagten auch, dass es Ihnen nicht genügte.«
»Natürlich will ich mehr erreichen! Ich möchte eben so gut schreiben wie andere auch.«
»Selbstverständlich. Warum wählen Sie nicht ein Thema, das Ihnen vertraut ist? Etwas über unser Volk?«
»Ich sagte Ihnen schon, dass ich unser Volk nicht so verschieden finde. Wir werden geboren, wir essen, lieben und sterben. Wie alle anderen Menschen auch.«
»Das ist wohl wahr, nur essen oder sterben wir nicht, wo wir wollen.«
»Aber wir lieben, wo wir wollen …« Byron setzte sich neben Mary auf das Sofa und ergriff ihre Hand.
Mary empfand ein seltsam vibrierendes Gefühl. Es war, als liefe eine Maus von ihrer Hand den Arm bis zur Schulter hinauf und über ihren Rücken hinunter.
»Bitte nicht«, flüsterte sie schwach.
»Warum nicht, Mary?« Er berührte ihre Hand leicht mit den Lippen, und da sie ihre Bitte nicht wiederholte – alle Widerstandskraft schien sie verlassen zu haben –, nahm er sie fest in seine Arme. Mary war willenlos. Es war köstlich, sie fühlte
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