Night Academy 2
Fingernägeln klebte schwarzer Dreck, Blut oder Erde oder beides. »Du hast doch gesagt, die Gruppe aus Seattle sei nur eine Trainingszelle. Was sollte also Gregori damit zu tun haben?«
»Offenbar hat sich die Situation in Seattle verändert. Vielleicht wegen der Sache in Washington oder wegen Jack. Keine Ahnung. Aber bevor du auf die Schule kamst, hat es solche Vorfälle nie gegeben. Und jetzt andauernd.«
»Und das macht dich nicht stutzig?«, fragte ich. »Fragst du dich da nicht, was sonst noch vor sich geht?«
Cam kehrte mir den Rücken zu und ging in die andere Ecke des Zimmers. »Na klar«, sagte er rau. »Aber deswegen will ich nicht gleich die Irin rufen oder mich mit Thaddeus verbrüdern.«
Nach diesen Worten herrschte Stille. In meiner Schulter pochte es, und am liebsten hätte ich mich in Cams Arme geworfen und geweint.
»Was geschieht denn jetzt?«, fragte ich. »Erzählst du Mr Judan alles?«
Cam starrte aus dem Fenster. »Das kann ich nicht. Nicht jetzt, wo alle so aufgewühlt sind. Ich sage nur, dass Jack sich bei dir gemeldet hat, um dich zu überreden, zu den Irin überzulaufen. Mehr nicht.«
»Dafür sollte ich dir wohl dankbar sein.« Nervös rang ich die Hände. »Und?«
»Ich brauche Zeit, um nachzudenken«, sagte er.
»Über mich?«
»Über alles.«
»Es tut mir so leid«, flüsterte ich mit tränenerstickter Stimme.
»Mir auch.«
Gerade als Cam ging, kam Catherine herein. Natürlich trug sie wieder eine gestärkte weiße Bluse und einen blauen Faltenrock. Sie warf einen Blick auf mich und seufzte: »Nicht schon wieder.«
Rasch wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. »Was denn?«
»Du bist doch nicht etwa schon wieder krank?«
»Nein.« Ich bewegte mich vorsichtig zum Bett und achtete darauf, nirgends mit der Schulter anzustoßen. Zwischendurch holte ich immer wieder tief Luft, um nicht loszuheulen. So ganz klappte das nicht.
»Was ist denn mit dir los?«
»Ach, nichts. Ich habe mir die Schulter gestoßen. Kein Ding.«
»Hmm.« Sie blieb unbeweglich stehen.
Auf einmal fiel mir ein, dass ich wahrscheinlich eine dicke Blut- und Dreckschicht im Gesicht hatte, die meine Worte Lügen strafte. Ich wollte ein Handtuch aus dem Schrank nehmen, musste mich aber erst einmal festhalten, weil mir schwindelig wurde. Ich spürte Catherines Blick. »Was guckst du denn? Ich geh jetzt duschen, bin nur zu schnell aufgestanden.«
Catherine machte den Schrank auf und reichte mir ein altes rosa Handtuch. »Ist irgendetwas zwischen dir und Cam vorgefallen?«
Zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht mehr die Kraft zum Lügen. »Ja.«
Sie biss sich auf die Unterlippe. »Scheiße.«
»Mmm.«
Dann zog sie den Stuhl unter ihrem Schreibtisch hervor und stellte ihren Rucksack darauf.
»Catherine, ich bin gegen deinen Schreibtisch gestoßen, dabei ist ein Stift runtergefallen. Er ist unters Bett gerollt. Sorry«, beeilte ich mich zu sagen.
Überraschenderweise verzog sie keine Miene. »Den sammele ich nachher auf. Habt ihr Schluss gemacht?«
»Ich weiß nicht. Glaub schon. Er braucht etwas Zeit, um nachzudenken, meinte er.«
»Das ist kein gutes Zeichen«, sagte Catherine.
Sicher hätte man nettere Worte finden können, aber allein die Tatsache, dass sie mich nicht mit Gemeinheiten überhäufte, war zu viel für mich. Tränen schossen mir in die Augen, und ehe ich michs versah, weinte ich hemmungslos wie eine Zweijährige.
Catherines Stuhl schabte über den Boden, als sie mir eine Packung Taschentücher reichte. »Soll ich Esther holen?«, fragte sie. »Oder Hennie?«
Seit den Ferien war das Verhältnis zwischen uns dreien seltsam. Esther verbrachte Stunden mit ihrem Aussehen – Haareglätten, Schminken, sexy Klamotten anprobieren; dann musste sie all die Jungs koordinieren, die sich ihr als Resultat dieser Anstrengungen zu Füßen warfen. Offenbar konnte sie sich beim Aussehen nicht nur auf ihre Gabe verlassen. Ich hatte versucht, mit ihr zu reden, aber sie hatte keine Lust auf dieses Thema. Von mir wollte sie lediglich Infos über Trevor, und als ich ihr die nicht geben wollte, war sie wütend davongestampft.
Mit Hennie sah die Sache nicht viel rosiger aus, auch wenn wir uns nicht gestritten hatten. Ich sah sie kaum, weil sie all ihre Zeit mit Yashir verbrachte. Wenigstens nahm ich das an. Wenn ich sie sah, hastete sie stets irgendwohin, meistens hörte sie dabei Musik, sodass sie mich gar nicht zur Kenntnis nahm. Ihre Zimmertür war immer geschlossen, und nach dem Essen blieb sie auch nie
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