NIGHT SHOW - Thriller (German Edition)
konnte kaum glauben, wie einfach es gewesen war. Einen Ausweis hatte der Mann gar nicht sehen wollen. Linda fühlte sich erleichtert, fast unbeschwert, als sie sich auf den beschriebenen Weg zur Abflughalle machte.
Das Gefühl verflüchtigte sich, als sie sah, dass die Leute an einer torähnlichen Vorrichtung anhielten und ihr Gepäck einer uniformierten Frau übergaben. Die Frau legte die Taschen auf ein Förderband. Sie verschwanden in einer Maschine aus Metall und tauchten auf der anderen Seite wieder auf, wo die Leute sie abholten, nachdem sie durch das Tor gelaufen waren.
»Oh Scheiße!«, fluchte sie.
Rasch wandte sie sich ab. Am anderen Ende des Terminals fand sie Toiletten. Sie stellte sich an ein Waschbecken, wusch sich die Hände und kämmte ausgiebig die kurzen Haare der Perücke, bis niemand mehr im Raum war. Dann warf sie die Pistole in einen Abfalleimer.
Linda passierte die Sicherheitskontrolle ohne besondere Vorkommnisse.
Das Taxi kroch mitten in der Rushhour den San Diego Freeway entlang. »Wohin wollen die alle?«, fragte sich Linda.
»Von der Arbeit nach Hause«, erklärte der Fahrer und lächelte sie an. »Vom Einkaufen nach Hause, vom Flughafen nach Hause, von Disneyland, vom Strand. Von überallher.«
»Ich habe noch nie so viele Autos auf einem Haufen gesehen.«
»Dann sind Sie noch nie in Los Angeles gewesen. Ich sage Ihnen, irgendwann wird ein einziges Auto zu viel ankommen, und dann geht nichts mehr. Dann steht hier alles. Für den Tag, an dem das passiert, habe ich zehn Lebensmittelrationen im Kofferraum liegen.«
»Wirklich?«
»Würde ich Sie etwa auf den Arm nehmen?« Abrupt scherte er auf die rechte Fahrspur aus und zwängte sich in eine Lücke, die gerade ausreichend Platz für das Taxi bot. Der Wagen vor ihnen verlangsamte die Fahrt. Linda stemmte die Füße auf den Boden, als das Taxi bremste. Sie wartete auf eine Kollision von hinten, die jedoch ausblieb. Ihr linkes Bein tat weh. Sie entspannte die schmerzenden Muskeln und massierte sie durch ihr Kleid.
Der Fahrer wirkte gänzlich unbeeindruckt von der halsbrecherischen Aktion. »Sehen Sie sich unbedingt Grauman’s Chinese Theatre an«, riet er. »So heißt es zwar nicht mehr, aber dort sind immer noch die ganzen Fuß- und Handabdrücke der großen Hollywoodstars in den Zementblöcken im Eingangsbereich zu finden. Ist nur ein paar Blocks von der Adresse entfernt, an der ich Sie absetze.«
»Okay.«
Langsam fuhren sie über eine Rampe, die auf eine andere Schnellstraße führte. Natürlich war diese mindestens genauso überfüllt.
Linda spähte auf das Taxameter. 7,50 Dollar. Sie hatte immer noch über 200 Dollar in der Tasche, also ...
»Der Walk of Fame ist auch dort. Kennen Sie den? Mit den Sternen auf dem Gehweg?«
»Ja, ich hab davon gehört.«
»In der Gegend gibt es auch einige gute Buchläden. Mögen Sie Bücher?«
»Eigentlich schon.«
»Ich schreibe Drehbücher. In einigen Fällen habe ich schon etwas Geld für Optionen kassiert, aber noch ist keiner meiner Stoffe in Produktion gegangen.«
»Vielleicht sollten Sie ein Buch schreiben.«
»Hab ich versucht. Prosa liegt mir nicht.«
»Schreiben Sie Ihre Drehbücher etwa in Reimform?«
Er lachte. Was er daran so komisch fand, erklärte er nicht. Stattdessen plauderte er weiter über seine Arbeiten, während er die Schnellstraße verließ und auf einen überfüllten Zubringer namens La Brea abbog. Linda fühlte sich vom Verkehr regelrecht erstickt. Oft mussten sie an einer Ampel drei Grünphasen abwarten, ehe sie eine Kreuzung überqueren konnten. Der Betrag auf dem Taxameter kletterte immer weiter in die Höhe.
»Hollywood Boulevard«, verkündete er schließlich und fuhr rechts in einen schmaleren Weg hinein. »Grauman’s Chinese Theatre und all die anderen Sehenswürdigkeiten sind gleich da vorne. Aber wir müssen hier lang.«
Einige Blocks später lenkte er das Taxi erst nach links und dann nach rechts in die La Mar Street. Er stoppte vor einem schäbigen Wohnhaus und drehte sich auf dem Sitz zu ihr herum. Linda drückte ihm 30 Dollar in die Hand und verkündete in einem Anflug von Gönnertum, er könne das Wechselgeld behalten.
»Viel Glück mit Ihrer Dichtkunst«, sagte sie zum Abschied und ließ ihn mit einem Lächeln zurück.
Auf dem Gehweg fischte sie Tonys Brief aus ihrer Handtasche. Linda verglich die Absenderadresse mit den Nummern neben der gläsernen Doppeltür des Gebäudes. Die Angaben stimmten überein.
Linda holte tief Luft, ging
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