Night Sky 1 - Sklave des Blutes (German Edition)
nach dem jungen Jonas umschaute, dann Zettel unter der Matratze hervorklaubte und emsig an einem Text weiterschrieb. Tränen rannen ihr die geröteten Wangen hinunter.
Sie beobachteten, wie Jonas mit einem unsicheren Lächeln und einem vollen Glas von der Jagd in das Wohnzimmer eilte. Die Blätter hatte Alisha vorab in einem Umschlag verstaut, einen Namen draufgeschrieben und ihn neben einen Bilderrahmen gestellt, der Alexander und sie auf ihrer Hochzeit zeigte. Jonas bemerkte den Brief nicht, er hatte seine Augen auf seine Schwägerin gerichtet, die nicht trinken mochte.
Plötzlich beschleunigten sich die Bilder. Die Brüder hörten das Gespräch nicht, sie sahen es nur. Alisha nahm Jonas’ Hände, redete auf ihn ein. Es schien ein Streit auszubrechen, denn der aufgelöste Jonas sprang auf und stapfte auf und ab, er gestikulierte wild und verließ immer wieder das Wohnzimmer, schaute sehnsüchtig und wütend auf die Standuhr im Raum. Alisha blieb ruhig, es schien, als argumentiere sie, dabei lächelte sie und streichelte ihr Ungeborenes. Es mussten Stunden der Diskussion vergangen sein. Alisha war zusehends schwächer geworden, ihr Fieber stieg und ihr rannen Tränen hinab. Sie schien verzweifelt. Jonas rang mit sich, das sah man ihm an.
„Alisha, du bist dir wirklich sicher?“
„Jonas, zum hunderttausendsten Mal, bitte lass mich nicht weiter leiden. Es tut dem Baby nicht gut, und ich weiß, was ich tue.“ Sie sah ihn wild entschlossen an. Jedes Wort strengte sie außerordentlich an. Sie würde sterben, sofern er ihr nicht half. „Ich würde dich nicht bitten, wenn ich eine Wahl hätte, das weißt du. Doch mein Blut muss sich reinigen und das kann es nur, indem es ausgetauscht wird. Alle zwei Stunden, fünf tiefe Schlucke, nicht mehr. Aber es muss sein, jetzt!“
„Du kannst dich auf mich verlassen, Alisha.“ Jonas’ Stimme klang rau vor Kummer um seine Schwägerin, der er so viel verdankte. Liebevoll nahm er ihr Gesicht in die Hände, küsste ihre Stirn und strich mit dem Daumen die Tränen weg. „Keine Angst, wir schaffen das. Dem kleinen Stupser meines Bruders soll es an nichts fehlen.“ Jonas beugte sich langsam zu Alishas Hals hinab und versenkte die Fänge in ihrer Halsschlagader.
Alexander hatte seinen Mund zu einem Schrei geformt, aber Jonas hörte ihn nicht. Sie starrten auf die Szene. Jonas erlebte zitternd und bebend, mit vor Wut geballten Händen das, was er damals getan hatte.
Alexander stand wie zur Salzsäule erstarrt neben ihm und sah das Geschehene zum ersten Mal in seinem Leben. Tränen rannen unaufhörlich über seine Wangen, tiefe Verzweiflung und Liebe, nun unbändiger Hass wühlten ihn auf.
Der Körper des jungen Jonas bewegte sich leicht bei jedem zaghaften Schluck. Einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal. Er zog die Fänge aus der Vene und versiegelte die Bissstelle. In dem Augenblick war ihm klar, dass etwas nicht stimmte. Er sprang auf, fühlte ihre Stirn, öffnete ihre Augen, suchte ihren Puls, dann begann er zu brüllen, schlug Alisha ins Gesicht, schrie sie an, sie solle aufwachen, weinte und riss die Decken beiseite, um mit der Wiederbelebung zu beginnen.
Einen Tag später gab er auf.
Kein Herzschlag war mehr zu vernehmen gewesen, nicht von Alisha, nicht von dem Baby. Er wickelte sie in die Überdecken, zog den leblosen Körper auf den Fußboden, schlang die Arme um sie und wiegte sie lautlos vor sich hinweinend, bis Alexander mit einer Druidin durch die Tür des Hauses trat.
Die Brüder wurden in einen dunklen Strudel gezogen. Ein Feuerschein flackerte auf. Jonas hatte ihn vor hundert Jahren aus weiter Ferne gesehen, als er entkräftet über einen Wanderer herfiel, um danach den Kontinent zu verlassen. Der fassungslose Witwer brannte das eigens errichtete Zuhause nieder, mit seiner toten Frau und seinem leblosen Ungeborenen.
Doch jetzt kam aus diesem brennenden Haus eine Gestalt heraus – Alisha. Auch sie war schwanger, aber sie sah nicht krank aus, ihre Wangen glänzten rosig, ihr Haar seidig, es wehte gesund im Nachtwind. Das Feuer in ihrem Rücken schien sie nicht zu bemerken, sie kam nicht aus der Zeit, wo es gebrannt hatte, sie gehörte in die Gegenwart. Sie war die Tote, die Byzzarus um Kontaktaufnahme gebeten hatte.
Jonas wollte zurückschrecken, jedoch vermochte er sich genauso wenig wie sein Bruder zu bewegen.
„Ich freue mich sehr, euch zu sehen, meine geliebten und verehrten Männer. Es tut mir leid, dass ich vorher nie eine Möglichkeit fand,
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