Nightschool. Du darfst keinem trauen
sah so verängstigt aus, dass Allie ihre Hand nahm und drückte.
»Keine Sorge. Hier bist du völlig sicher.«
Lisa sah nicht sehr überzeugt aus, doch ihre Fähigkeit, einen Gedanken zu verfolgen, schien durch die Beruhigungsmittel geschwächt zu sein, und einen Augenblick später wirkte sie wieder ganz entspannt.
»Was ist an dem Abend eigentlich passiert, Lisa?«, fragte Allie. »Jo meinte, sie hätte dich aus den Augen verloren, als die Lichter ausgingen, und dich dann nicht mehr gesehen, bis wir dich … na, du weißt schon, in der Eingangshalle gefunden haben.«
Lisas Augen verdüsterten sich, sie legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach. »Das Ganze ist irgendwie verschwommen. Ich weiß noch, dass ich mit Lucas getanzt habe. Dann wollten wir ein bisschen raus an die frische Luft. Wir waren auf dem Weg zum Haupteingang, weil hinten so ein Gedränge war. Plötzlich ging das Licht aus. Erst haben wir uns keine Sorgen gemacht – wir fanden es sogar eher lustig. In der Eingangshalle wurden Kerzen angezündet, sodass wir immer noch gut sehen konnten. Aber plötzlich fingen die Leute an zu schreien.
Lucas hat gesagt, ich soll da bleiben, er käme gleich wieder. Dann ist er zurück in die Halle gerannt, um nachzuschauen, was los war.«
Sie unterbrach sich und schaute mit leeren Augen zu Allie auf. »Das ist schon alles. An mehr erinnere ich mich nicht. Da ist nur eine große, riesige Leere.«
Allie tätschelte ihre Hand. »Isabelle meinte, dass du wohlauf bist – hattest du vielleicht eine Gehirnerschütterung oder so was? Mein Bruder hatte mal eine und konnte sich erst zwei Wochen später wieder daran erinnern, dass er gestürzt war.«
»Ja, die Krankenschwester sagt, ich wär im Fallen mit dem Kopf aufgeschlagen und hätte mir dabei irgendwie eine Wunde zugezogen – ich wurde mit zwölf Stichen genäht.« Ohne es zu merken, berührte sie den Verband.
»Was ist mit deinen Armen?«, fragte Allie. Sie beugte sich vor und schob die kurzen Ärmel von Lisas Nachthemd vorsichtig höher, damit sie die Haut besser sehen konnte. »Diese blauen Flecken, die sehen aus wie … wie Handabdrücke.«
Lisa sah an ihren Armen herunter und sagte: »Findest du? Ich hab keine Ahnung, wie sie da hingekommen sind. Und ich hab mir bei dem Sturz noch das Handgelenk verstaucht.«
»Weißt du eigentlich …« Allie zauderte und fing noch einmal an. »Das mit Ruth hat man dir erzählt, nehme ich an?«
Lisa nickte. Sie sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. »Aber ich kann es einfach nicht glauben«, wisperte sie. »Wieso … Wieso hat sie sich umgebracht? Ich hatte nie den Eindruck, dass sie traurig oder depressiv wäre. Sie hatte doch lauter Pläne für später, um die Welt wollte sie reisen, weißt du? Ich begreife nicht, wie sie sich so was antun konnte.«
Allie überlegte, ob sie Lisa erzählen sollte, was sie über die offizielle Darstellung von Ruths Tod dachte, doch sie war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, Lisa einzuweihen. Nicht, dass sie ihr nicht vertraut hätte, sie wollte sie nur nicht noch mehr beunruhigen.
Eine Weile saßen sie schweigend da, und Lisa döste ein. Das Knarren von Allies Stuhl weckte sie erneut.
»Du bist ja noch da«, sagte Lisa mit schläfriger Stimme, offenbar erfreut.
»Klar«, sagte Allie. »Du sollst nicht die ganze Zeit alleine sein. Ist doch viel zu langweilig. Wo sind eigentlich die Schwestern?«
Lisa sah sich um, als erwartete sie, dass im nächsten Moment eine hinter dem Schrank hervorkäme.
»Ich weiß nicht. Komisch, gestern waren sie die ganze Zeit hier, aber heute hat sich kaum mal eine blicken lassen.« Sie gähnte. »Und, was läuft denn so im wirklichen Leben? Was ist noch alles passiert?«
Allie überlegte, wie viel sie ihr erzählen sollte. Dann sagte sie sich, dass Lisa Jo ja noch besser kannte.
»Ach, nichts Besonderes. Alles ist irgendwie total komisch. Und … hör zu, Lisa, Jo ist heute Morgen völlig ausgerastet, und jetzt ist die Kacke echt am Dampfen.«
Lisa horchte auf. »Was meinst du damit? Ist sie in Schwierigkeiten?«
Allie erzählte ihr, was am Morgen auf dem Dach passiert war. Sie hatte erwartet, dass Lisa geschockt reagieren würde, doch die schüttelte nur den Kopf.
»Ach, arme Jo. Sie muss ja völlig durcheinander sein. Ich würde so gern mit ihr sprechen.«
»Carter hat gesagt, dass ihr das nicht zum ersten Mal passiert ist …«
Lisa nickte. »Du kennst doch Jo«, sagte sie. »Sie ist wirklich ein
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