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Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition)

Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition)

Titel: Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green , Oliver Graute
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hin und her; Staub tanzte in dem gleißenden Lichtstrahl. „Ich kann nichts sehen!“
    „Na toll“, sagte ich.
    Dann krachte der Deckel des Steinsargs zu Boden. Wir sahen uns erschrocken um, nur um mitzubekommen, wie die Mumie sich von ihrem Ruheplatz erhob. Sie bewegte sich schleppend, ruckartig, von unnatürlichen Energien angetrieben und gesteuert. Sie war klein, knapp einen Meter fünfzig groß, ein verschrumpeltes, jämmerliches Ding, das aber vor Kraft leuchtete. Man spürte es. Die leeren Augen in dem toten Gesicht blieben zuerst an mir haften, dann an Polly und letztlich an dem Stab. Die Mumie streckte eine bräunlich bandagierte Hand aus, während der Arm trockene, krachende Geräusche von sich gab. Sie trat den Sarkophagdeckel mit einem Fuß zur Seite, und er flog quer durch die Kammer, um gegen die Wand zu schlagen.
    „Vielleicht sollten wir ihm seinen Stab zurückgeben“, flüsterte ich.
    „Undenkbar!“, blaffte Polly.
    „Verdammt, ich halte es für eine gute Idee, und er genauso!“, schrie ich. „Kannst du den Stab gegen ihn einsetzen? Was tut er?“
    „Ich weiß nicht!“, rief Polly, die vor der Mumie zurückwich, als diese mit langsamen, schleifenden Schritten auf sie zukam. Die ganze Kammer bebte immer noch und machte dabei laute, stöhnende Geräusche, als sich die schweren Steinwände beugten, aber die Aufmerksamkeit der Mumie war einzig und allein auf den Stab in Pollys Hand fixiert. Ich zog meinen Colt und schoss in einer raschen Folge sechs Kugeln auf die Mumie. Drei auf den Körper, drei in den Schädel. Staubwolken barsten aus den Einschusslöchern, aber weder schwankte die Mumie noch gab sie die Verfolgung Pollys auf, die sich immer weiter von ihr zurückzog. Ihr Rücken stieß gegen die Wand hinter ihr, und sie musste stehenbleiben. Ich dachte darüber nach, die Mumie von hinten anzuspringen und sie zu Boden zu ringen, verwarf den Gedanken aber wieder. Von einigen Plänen weiß man einfach, dass sie nicht funktionieren werden. Ich rannte an der sich langsam bewegenden Mumie vorbei und riss Polly den Elfenstab aus der Hand. Das tote Gesicht wandte sich sofort mir zu, und ich grinste. Denn von dem Augenblick an, in dem ich den Stab in den Händen hielt, wusste ich, was er konnte und wie man ihn benutzte. Das Wissen war blitzartig da, als ob ich es schon immer besessen hätte, aber daran hatte erinnert werden müssen. Ich beschwor in meinem Kopf leise die Kommandoworte, und Energie sprang aus dem Stab in die Welt.
    Die Zeit blieb stehen.
    Die Mumie war starr und Polly, die im Versuch eingefroren war, mir den Stab zu entreißen, ebenso. Die Grabkammer war ruhig, zwischen einem Atemzug und dem nächsten gefangen. Niederfallender Staub hing reglos in der Luft. Ich bewegte mich bedächtig vorwärts, und die Zeit bewegte sich nicht mit. Ich musterte die Mumie, das verschrumpelte Gesicht, das in Metern von verfallenden Verbänden gewickelt war, das wie eine Maske aus gebranntem Ton der alten Ägypter aussah. Furchterregend, ja, aber nahm man ihr die übersinnlichen Energien, die sie steuerten, dann wurde die Mumie zu einem kleinen, zerbrechlichen Ding. Ich musterte den Elfenstab in meiner Hand. Sechzig Zentimeter lang, aus dem Rücken einer Tierart geschnitzt, die schon lange nicht mehr in der normalen Welt existierte; er leuchtete in einem grellen Licht, während er seine Arbeit tat. Es gab alle möglichen Kunststücke, die er beherrschte – mit der Zeit. Ich stach den Stab in die erstarrte Mumie, und die Zeit beschleunigte sich um sie. Der bandagierte Körper verfiel, brach auseinander und wurde zu Staub – alles in nur einem Augenblick.
    Ich wog den Stab in meiner Hand. Weshalb hatte er zu mir gesprochen und nicht zu Polly? M öglicherweise , weil er ihr nicht traute. Ich wusste, wie sich das anfühlte.
    Ich ließ die Zeit wieder einsetzen, und Polly schrie laut auf, als sie nur einen Haufen Staub sah, wo zuvor die Mumie gestanden hatte. Sie sah mich an, stierte auf den Stab in meiner Hand und machte eine fordernde Geste.
    „Nein“, sagte ich. „Ich glaube, ich halte mich daran noch eine Weile fest. Er will mich auch.“
    „Was ist mit der Mumie geschehen?“, fragte sie, während sie mein Gesicht genau betrachtete.
    „Die Zeit hat sie eingeholt“, sagte ich. „Können wir jetzt verdammt noch mal hier raus, ehe der ganze verdammte Laden einstürzt?“
    Polly war praktisch veranlagt. Sie verschwendete keine Zeit mit Widerworten, sondern beeilte sich, zur Eingangswand zu kommen

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