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Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition)

Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition)

Titel: Nightside 10 - Für eine Handvoll Pfund: Geschichten aus der Nightside Band 10 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green , Oliver Graute
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verschwitztes Gesicht lugte unter einer offensichtlichen Perücke mit blonden Locken hervor. Ihre gewaltigen Finger waren mit den Worten „Stirb“ und „Abschaum“ tätowiert. Ihre beiden vorderen Schneidezähne fehlten, und ihre Zunge stieß durch die Zahnlücke, als sie das Innere verschieden großer Eier aussaugte, die sich in einem Sack neben ihrem Stuhl befanden. Sie strahlte durchtriebene Heimtücke aus, sah mich aber kaum an; ihre Schweinsaugen fixierten Polly. Savage Hettie schniefte laut.
    „Ich lasse nicht jeden hier rein, weißt du“, sagte sie mit ihrem rauen East End-Akzent, „und du siehst absolut verschlagen aus, Mädchen. Du versteckst etwas, oder? Oh ja, ich kenne deine Sorte, Mädchen.“
    „Sie ist mit mir hier“, stieß ich hervor, „und du kennst mich, Hettie.“
    Sie schniefte abermals. „Ich kenne deinen Vater, meinst du. Ja. Ich kannte ihn mal sehr gut.“
    „Wer nicht?“, fragte ich stoisch.
    Sie lachte laut. „Aber ich kannte ihn auf intime Weise, wie du sagen würdest. Ich sah nicht immer so aus, weißt du.“
    Ich ging schnell an ihr vorbei, schob Polly vor mir her, und Hetties gackerndes Lachen verfolgte mich ins dunkle Innere ihres Ladens. Es gab gedankliche Bilder, auf die wollte man nicht näher eingehen.
    In Hetties Laden herrschte immer großes Chaos. Alles voller finsterer Schatten und Haufen, die augenscheinlich wahllos verteilt waren. Keine Ordnung, kein Grundprinzip und absolut keine Warenpräsentation. Handgeschriebene Preisschilder für alles – und kein Feilschen. Man zahlte Hetties Preis oder ging woanders hin; obwohl – wenn man es irgendwo sonst hätte finden können, hätte man sich niemals in Savage Hetties haarsträubende Höhle gewagt. Es gab Regale, Kisten und wacklige Stapel, und man musste nach dem, was man brauchte, wühlen. Natürlich auf eigene Gefahr. Wenn man die falsche Sache auf falsche Art und Weise berührte, biss sie einem die Hand ab. Oder verwandelte einen in einen Frosch oder stahl einem die Seele. Also durchsuchte man die Sachen vorsichtig und passte immer gut auf. Einige der Gegenstände in Savage Hetties Fundsachen hatten die Angewohnheit, sich von hinten anzuschleichen.
    Hettie war das vollkommen einerlei. Sie lachte nur laut, wenn einmal etwas wirklich Schreckliches passierte.
    Polly und ich bewegten uns behutsam zwischen den Stapeln der magischen Kisten, der verzauberten Tanzschuhe und ekelhaften, alten Zeitschriften hindurch, sorgfältig darauf bedacht, nichts zu berühren. Man konnte großartige, wirklich kostbare Dinge finden, wenn man nicht zu wählerisch bei so kleinen Dingen wie Herkunft oder Garantien war. Savage Hettie war ebenso Hehlerin wie Dealerin und scherte sich nicht darum, wer Bescheid wusste.
    Wir gingen an Glasgefäßen, die mit „Mantikormoschus“ und „Vampirzähne“ (die klapperten und sich am Glas rieben, wenn man zu nah kam) beschriftet waren, und an einer mit Spinnenweben bedeckten Weinflasche, auf der einfach „Trink mich, du Bastard“ stand , vorbei. Ich war kurz von einem Stapel alter Illustrierten abgelenkt, bei denen mich nur der Umstand, dass ich keine Handschuhe anhatte, davon abhielt, sie durchzublättern: die nicht jugendfreie Ausgabe von „Oz“, die International Times mit Paul und Linda, die beide nackt waren, auf dem Cover, und eine angeschlagene Kopie des Playbeingsmit irgendetwas total Ekelhaftem auf dem Titelblatt. Polly hingegen ließ sich nicht ablenken. Sie schritt die engen Gänge ab, schien ihrer Nase zu folgen, bis sie schließlich abrupt vor einem versiegelten Marmeladenglas stehenblieb. Ich trat neben sie und blickte ihr über die Schulter. In dem Glas befand sich ein kleines, verdorrtes Etwas, dessen Haare halb ausgefallen und dessen steife Finger zu Kerzen mit zarten, kleinen Dochten gemacht worden waren. Der Stumpf war dort, wo es mit einer offenen Flamme versiegelt worden war, schwärzlich. Ich streckte die Hand nach dem Glas aus, und die Finger rührten sich langsam wie die Beine eine Spinne. Ich riss unwillkürlich die Hand zurück. Polly schnaubte herablassend und nahm das Glas in die Hand, ohne im mindesten zu zögern.
    Wir brachten es zu Hettie zurück, die mich total schockte, indem sie jede Art von Bezahlung verweigerte. Sie lehnte sich lieber in ihrem Stuhl zurück, als das Marmeladenglas zu berühren und schielte Polly an, wobei sie ihre Zungenspitze herausfordernd durch die Zahnlücke steckte.
    „Ich kenne deine Sorte, Fräuleinchen, oh ja, das tue ich. Ich will

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