Niklas Pettersson - Im Labyrinth der Finsternis (German Edition)
dem Sarg, also
musste es die Hexe sein. Hätte Farmodur sie doch bloß nie wieder erschaffen.
Sie durchschritt langsam den Raum und setzte sich an den Schreibtisch, strich
sanft über das Holz und sagte leise:
„Galman, mein lieber Junge. Wenn du mich so sehen könntest, du wärest
sehr stolz auf mich. Kinder, ihr könnt zu mir kommen, ich weiß, dass ihr hier
seid. Seit meiner Verbrennung auf dem Scheiterhaufen, habe ich einen sehr guten
Geruchsinn, und Kinder rieche ich sofort. Ich habe immer noch den Brandgeruch
in der Nase, es war grässlich. Nun gut, das ist vorbei. Fortan werde ich wieder
leben. Kommt nur her, ich tue euch nichts.“ Zögernd traten die beiden an den
Schreibtisch heran. Eigentlich sieht sie ganz nett aus, dachte Niklas. Aber sie
ist ja auch kein richtiger Mensch, eher eine Puppe.
„Guten Tag, meine Lieben. Wer seid ihr? Freunde von meinem Sohn?“
„Ja, wir sind Kimama und Niklas. Wir sind Zauberlehrlinge“, antwortete Niklas,
der wieder etwas Mut gefasst hatte. „Wir warten nur das Gewitter ab, und dann
zaubert Ihr Sohn uns wieder nach Asgard.“
„So ein Unsinn, versucht er immer noch diesen Bälgern das Zaubern
beizubringen? Ich bin so froh, Gesellschaft zu haben. So schnell werdet ihr
mich nicht wieder verlassen. Kommt, ich zeige euch mein Schloss.“ Zögernd
folgten sie der Frau. War sie wirklich noch eine Hexe?
„Wo ist überhaupt Prechtel dieser Dummkopf? Er arbeitet doch noch immer
hier?“
„Er ist zurzeit auch im Internat und sorgt mit den Zwergen für die
Zauberlehrlinge“, erwiderte Kimama mit leiser Stimme.
„Übrigens, wenn wir Freunde werden wollen, müsst ihr
ja meinen Namen wissen. Ich heiße Solveig, das ist mein Künstlername, ich meine
Hexenname.“ Sie lachte, und es war kein Lachen, das von Herzen kam. Freunde werden?
Wie kommt die denn darauf? dachte Niklas und stieß Kimama an. Solveig wusste
sicher noch nicht, mit wem sie es hier zu tun hatte, mit einer schlauen Fee und
einem Jungen, der schon ein paar Zaubertricks kannte.
Folgsam stiegen sie hinter der Hexe die Treppe hinauf. Sie kamen in eine
kleine Kammer, die einst ihre Hexenstube war, wie sie ihnen zu verstehen gab.
Es war kalt hier und roch muffig. In der Mitte stand ein großer Kessel, in dem
sie früher wohl ihre Hexenbrühe braute. Überall hingen Spinngewebe, mit denen Niklas
und Kimama schon früher Bekanntschaft gemacht hatten. Ein großer ausgestopfter
Rabe, dessen Gefieder von all dem Staub grau war, hing über der Tür, und eine dicke
Staubschicht bedeckte den Tisch und einen Hocker. Heruntergebrannte Kerzen waren
mit flüssigem Wachs einfach auf dem Tisch befestigt worden. Schwarze Gardinen
schmückten die Fenster, und hinter der Tür stand ihr Hexenbesen. Und das
Schlimmste war, die Wände glühten rot und beleuchteten geisterhaft den Raum. Farmodur
hatte wirklich alles so gelassen, wie seine Mutter es zu ihren Lebzeiten
eingerichtet hatte. Kimama bekam eine Gänsehaut, es war wirklich gruselig.
„Ist es nicht schön hier? Das war immer mein Lieblingsort. Oh, ihr werdet
euch hier im Schloss wohlfühlen. Wir werden uns gut vertragen. Habt ihr Hunger?
Ich könnte etwas Gutes kochen.“ Sie sah hinüber zu ihrem Kessel. Oh nein, nur nicht
aus diesem Kessel, dachte Niklas.
„Kommt wir gehen in die Küche und sehen nach, was Prechtel übrig gelassen
hat.“
„Äh, wir haben keinen Hunger“, meinte Kimama. „Wir müssen schnell wieder ins
Internat. Das Gewitter ist vorbei, und Ihr Sohn kann uns jetzt zurück zaubern.“
„Nein, nein, nein, das kommt überhaupt nicht infrage. Jetzt, da wir so
gute Freunde sind, könnt ihr mich doch nicht allein lassen.“ Die beiden sahen
sich an. Was sollten sie machen, Solveig schien ja ganz nett zu sein, doch sie
wollten weg von diesem dunklen Ort. Außerdem war ihnen diese Hexe nicht
geheuer. Schließlich war sie ja nicht aus Fleisch und Blut, sondern künstlich
geschaffen. Sie folgten ihr in die Küche. Kimama nahm den magischen Stein aus
ihrer Tasche und ließ ihn Geistes abwesend von einer in die andere Hand fallen.
„Was tust du da, Mädchen?“, fragte die Hexe plötzlich. „Gib mir das“,
forderte sie Kimama auf. „Na das ist doch mal ein schöner Stein, ist der
verzaubert?“ Kimama schüttelte den Kopf.
„Weiß ich nicht, warum sollte er. Ich hab ihn gefunden. Er gehört mir.“
„Du solltest wissen, ich bekomme immer alles, was ich haben will. Also
gib ihn mir.“ Ihre starren Glasaugen funkelten böse.
„Gib ihn ihr,
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