Nikos Reise durch Raum und Zeit - ein Roman über die Rätsel der Quantenphysik
aber geschieht beides zugleich, du gewinnst und verlierst; hier werden beide Möglichkeiten gleichzeitig gelebt.«
Jetzt ergriff Quiona das Wort:
»Du kannst dir vorstellen, dass das Paralleluniversen sind. Ich habe eine Menge Menschencomics gelesen und in vielen gibt es diese Paralleluniversen. Stell dir doch zum Beispiel einmal vor, du seist verliebt in mich«, sagte sie und zwinkerte Niko zu, der sofort rot anlief. »In dem einen Universum fragst du mich, ob ich mit dir gehen will, und wir kommen zusammen. Und in einem Paralleluniversum sage ich Nein und lass dich abblitzen. Bei der Überlagerung mischen sich beide Universen. Beides geschieht gleichzeitig: Ich mach dich glücklich und gleichzeitig pfeife ich auf dich.«
»Hört schon auf; das Superpositionsprinzip ist akzeptiert«, sagte Niko, dem das Beispiel unangenehm war. »Aber es gibt noch etwas, das ich nicht verstehe …«
Erwartungsvoll sahen die drei ihn an.
»Okay, die Sache mit dem Superpositionsprinzip ist ziemlich abgefahren. Aber es sind ja auch vorher schon eine Menge seltsamer Dinge passiert: Ich habe dem absonderlichsten Fußballspiel meines Lebens beigewohnt, und zwar während nichts Geringerem als dem Urknall. Ich bin durch Wände gegangen oder besser gesagt: Ich bin getunnelt. Ich habe den genialsten Uhrmacher der Welt kennengelernt. Und Zwillinge, die unterschiedlich schnell altern. Dank dieser Quantenverschränkungssache habe ich mich teleportiert. All das ist genauso oder sogar noch verrückter als die Superposition. Meine Frage ist also: Warum hat die Tatsache, dass ich den Direktor bei einer Superposition gesehen habe, einen derartigen Aufruhr ausgelöst?«
»Eine sehr geistreiche Beobachtung, Niko.« Meister Zen-O lächelte zufrieden. »Es gibt etwas, was wir übersprungen haben, als wir dir das Superpositionsprinzip erklärt haben.«
»Schießt los, ich bin ganz Ohr.«
Aus irgendeinem Grund fühlte sich Niko nicht mehr so verloren. Er hatte schon so viele Dinge gesehen und erlebt, die sich dem gesunden Menschenverstand entzogen, dass er Seltsamkeiten gegenüber inzwischen immun war.
Der Elf kam seinem Wunsch nach:
»Das Superpositionsprinzip funktioniert so lange, bis jemand die Überlagerung beobachtet. Die simple Tatsache des Gesehenwerdens neutralisiert die Superposition. Das bezeichnen wir als
KOLLAPS DER SUPERPOSITION.
Du hättest also nur einen Direktor sehen dürfen, der dir sagt, ob du hierbleiben kannst oder nicht. Ein Mensch sollte nicht zwei Möglichkeiten gleichzeitig sehen können. Deshalb haben sich alle so aufgeregt.«
»Aber ihr könnt die Superposition der zwei Direktoren doch auch sehen«, fragte Niko erstaunt, »oder nicht?«
»Ehrlich gesagt, ist es mir nur ganz wenige Male gelungen, eine Superposition zu erkennen«, antwortete Eldwen. »Viele Elfe haben noch nie eine gesehen – und das, obwohl wir in der Quantenwelt leben.«
»Dann bin ich nicht sicher, ob es eine gute Nachricht ist, dass ich es kann«, murmelte Niko.
»Es ist sowieso gut und schlecht zugleich«, witzelte Quiona, »genau wie bei einem Fußballer, der ins Tor trifft und gleichzeitig daneben schießt.«
Niko ließ sich auf eines der Sofas fallen, die im Zimmer standen. Er fühlte sich plötzlich erschöpft. In seiner Welt war er für sein Empfinden ja schon ein komischer Kauz – aber dass er das jetzt auch unter diesen extravaganten Gestalten hier sein sollte, war nicht gerade ermutigend. Seitdem er durch die verriegelte Tür gegangen war, sah er sich einem unverständlichen Phänomen nach dem anderen gegenüber. Er fühlte sich dumm, wie er immer fragen und Eldwen und Quiona um Erklärungen bitten musste.
»Ich verstehe, dass du ein bisschen verwirrt bist, Niko«, wandte sich der Meister ihm zu. »Aber denk doch mal an das alte Menschensprichwort: Wenn du Fragen stellst, scheinst du einen Augenblick lang dumm. Wenn du keine Fragen stellst, bleibst du dein Leben lang dumm. Du darfst keine Gelegenheit verpassen, etwas zu lernen.«
»Ich finde, jetzt sind genug ernste Gespräche geführt«, meldete sich Quiona zu Wort. »Es ist an der Zeit zu feiern, dass Niko eine Sondererlaubnis für einen Besuch unserer Welt bekommen hat. Lasst uns in die DIS-Q gehen!«
»Ich würde sagen, in eine Diskothek zu gehen ist jetzt nicht gerade passend«, wendete Eldwen verantwortungsbewusst ein.
»Jetzt sei kein Spielverderber! Niko ist der erste Mensch in fast 2000 Jahren, der eine Aufenthaltserlaubnis für die Quantenwelt bekommen hat. Ich
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