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Nimm Platz und stirb

Nimm Platz und stirb

Titel: Nimm Platz und stirb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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einem
mischenden Skatspieler. Während sie suchte und die unsterblichen Namen der
Künstler vor sich hin murmelte, schrieb ich schnell die Adresse und
Telefonnummer ihres abwesenden Arbeitgebers in mein Notizbuch. Ich würde sie
bestimmt noch brauchen.
    Die Frau sah mich an. Der Mißerfolg war
in ihr Gesicht geschrieben.
    »Leider nichts, Herr Trubo, wenn Sie
den richtigen Namen wüßten — vielleicht haben wir’s doch irgendwo — «
    Sie stemmte sich gegen den Kasten und
schob ihn wieder hinein.
    »Warten Sie, ich sehe drüben noch mal
nach.«
    Sie ging durch die Tür in das andere
Zimmer. Ich hörte Schubladen klappen und Papier rascheln. Als sie zurückkam,
war ihre Miene so betrübt wie vorher.
    »Nein. Lacon haben wir nicht.«
    Ich hatte es mir gedacht. Und
ausgerechnet heute mußte der Lobkowicz nicht da sein. Das Pech klebte an mir.
Ich stand auf und lächelte so, als hätte mir nichts Besseres passieren können.
    »Jetzt habe ich Sie so lange
aufgehalten, liebes Fräulein Schadewald.«
    Die Haut ihres Gesichts wurde etwas
besser durchblutet.
    »Aber — ich bitte sie die kleine Mühe —
«
    Wir versicherten uns einige Male, wie
leid es uns tue, dann fragte ich:
    »Kann es sein, daß Herr Lobkowicz etwas
weiß über die Dame?«
    Zu meinem Erstaunen nickte sie heftig.
    »Das kann durchaus Sein, Herr Trubo. Er
hat ein fabelhaftes Gedächtnis für Schauspieler und Namen, und er behält sie
fast alle. Außerdem hat er zu Hause noch alte Karteikarten — auch von Leuten,
die längst tot sind — , zur Erinnerung, wissen Sie — er hängt so sehr an den
alten Zeiten...«
    »Geht mir ganz genauso«, sagte ich.
»Früher war alles so ganz anders. Meinen Sie, daß es Sinn hat, wenn ich morgen
noch einmal nachfrage? Ich hörte vorhin, daß er um drei hier ist...«
    »Aber natürlich, kommen Sie! Ich kann ihn
auch am Vormittag schon anrufen und fragen — vielleicht hat er’s in seiner
Kartei — Kommen Sie nur!«
    Ich ergriff ihre Hand und beugte mich
so weit drüber, wie es mein steifer Kragen erlaubte.
    »Ich bin Ihnen zu ewigem Dank verpflichtet,
Fräulein Schadewald. Morgen nachmittag sehen Sie mich wieder.«
    Sie schien sich tatsächlich darauf zu
freuen.
    »Auf Wiedersehen, Herr Trubo, einen
recht, recht schönen Abend noch.«
    Das wünschte ich mir auch.
    Während ich durch die Gänge und Treppen
fortwanderte, überlegte ich, ob ich jetzt noch zu Herrn Lobkowicz fahren
sollte. Nein. Ich war fürchterlich müde. Der Restalkohol, die Begräbnisluft in
der Kapelle, das Unternehmen Schadewald und mein Alter, alles kam zusammen. Ich
sehnte mich nach einem Menü im China-Restaurant und dann nach horizontaler
Lage.
    Es war halb sieben, als ich nach Hause
kam. Zuerst ging ich ins Bad und entfernte den Stahlkragen von meinem Hals.
Dann setzte ich mich mit einer Bierflasche an den Schreibtisch. Ich dachte an
Stefan, der alles hinter sich hatte, an das schäbige Büro in dem schäbigen Haus
und an Herrn Vanderberg, der dort angerufen hatte.
    Mein Telefon glänzte schwarz und rührte
sich nicht. Ich trank einen langen Schluck. Dann zog ich es heran und wählte
die Nummer, die ich am Nachmittag aufgeschrieben hatte.
    Lobkowicz. 11 46 11.
    Niemand meldete sich.
     
     
     

XIX
     
    Der Anzug, den ich am nächsten Tag
anhatte, war etwas bequemer, aber das besserte meine Stimmung nicht wesentlich.
Ich hatte schlecht geschlafen und noch schlechter geträumt. Ich parkte den
Wagen an derselben Stelle, sah den vertrockneten Lageristen von Walter
& Sohn, und stieg die Treppe empor zur dritten Etage bis zu
Lichtpaus-Engels und Heizkraft-Roth. Die Gänge rochen nach Reinemachefrau.
Hinter der morschen Tür war es still. Das Fräulein Schadewald weinte entweder
oder betete.
    Als ich ein trat, sah ich, daß sie
nicht weit von einem von beiden entfernt war. Sie schaffte es kaum, mich
anzulächeln. Ich legte mein Gesicht in teilnahmsvolle Falten.
    »Irgend etwas nicht in Ordnung?«
    Sie drehte sich mit dem Stuhl zu mir.
    »Stellen Sie sich vor, Herr Lobkowicz
ist heute nicht gekommen!«
    »Aber, aber«, sagte ich, »was denken
Sie, wie oft ich nicht pünktlich im Büro erschienen bin! Als Beamter hätte ich
längst die Pensionsberechtigung eingebüßt.«
    Sie rückte an der Brille und schüttelte
den Kopf.
    »Er nicht. Und wenn, dann ruft er mich
an und sagt mir Bescheid. Ich habe angerufen, er ist nicht zu Hause, er meldet
sich nicht.«
    Ich erzählte ihr nicht, daß er sich
schon gestern abend nicht gemeldet hatte.
    »Vielleicht

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