Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition)

Titel: Ninragon – Band 1: Die standhafte Feste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
Vom Netzwerk:
Dächern des ältesten Teils der Stadt. Und da wurde ihm klar, was er sah.
    Dies war der Stammsitz der Träger der Eisernen Krone von Lysdocha, das Herz des alten Lygarnischen Reiches. Er war gedankenlos den Weg zur Burg hinaufgegangen, hatte gedankenlos in dem Vorzimmer und dem Raum gesessen, der jetzt Vikar-Oberst Silgenja als Amtstube diente, und keinen Moment hatte er realisiert, dass er sich auf historischen Boden befand. Dies war die Burg, die Murinja beschrieben hatte, dies war die Festung, um die es immer wieder in all den Erzählungen über die frühe Zeit des Idirischen Reiches ging. Hier hatte der Thron der Eisernen Krone gestanden. Von hier aus hatten die Herren der Eisernen Krone geherrscht, waren von hier vertrieben worden, hatten schließlich ihre Stammburg wieder zurückerobert, jene stärksten und zähesten Konkurrenten Idiriums im Kampf um die Macht im nördlichen Kernland, die immer dann, wenn man sie schon besiegt glaubte, aufs neue aus Asche und Wind aufgetaucht waren, um mit neuer Kraft, mit einem neuen Heer unbezähmbar und unbeeindruckt der Macht Idiriums entgegenzutreten.
    Wie oft hatte er davon gehört, wie oft hatte er die Erzählungen, in denen dieser Ort im Mittelpunkt stand, in Gedanken deklamiert. Und jetzt hatte er dort, genau an diesem Ort gesessen und hatte es nicht bemerkt. Er hatte seinen Mund aufgerissen und Präzedenzfälle aus den Kriegen gegen die Eiserne Krone ins Feld geführt, ohne sich darüber klar zu sein, wo er sich eigentlich gerade befand.
    Nein: keine Präzedenzfälle. Angebliche Präzedenzfälle. Fiktionen, Romane, die Gedankenspiele eines alternden Soldaten, der ein vergangenes Zeitalter verklärte.
    Und er war niemals auf die Idee gekommen, diese alten Schriften zu hinterfragen?
    Wie naiv er doch gewesen war.

    Nach einer Woche wurde er wieder in die Burg einberufen.
    Sein Gang zur Amtsstube war ein einfacher Vorgang innerhalb der nüchternen Maschinerie der idirischen Armee. Daher bot sich ihm gar nicht die Gelegenheit, angesichts seines neu realisierten Wissens von der Bedeutungsgeladenheit des Ortes wie von einer Mauer aufgehalten zu werden. Bei seinen ersten Spaziergängen durch Idirium hatte er für einen Weg von fünf Minuten eine Stunde oder mehr benötigt, weil der Anblick vor ihm vollgepfropft war mit Dingen, die wegen ihrer Gesättigtheit mit Geschichte, mit Bedeutung und Verweisen, wimmelnd und gellend nach Aufmerksamkeit schrieen. In der Stammburg der Eisernen Krone von Lysdocha war das ähnlich, doch hier anzuhalten und sich umzublicken war, wenn er seinen Führer nicht verlieren wollte, unmöglich. Der führte ihn raschen Schritts durch die Gänge und Flure, und bald saß Auric auf dem gleichen Stuhl, auf dem er auch schon vor einer Woche gesessen hatte, und blickte über dessen Schreibtisch hinweg in die Augen von Vikar-Oberst Silgenja.
    „Sie haben uns zum Nachdenken gebracht. Über ihre Person und einen alten Diskurs. In beiden Sachen hängt das Ergebnis in der Schwebe.“
    Er hatte also Recht gehabt, was seine Einschätzung des für einen Außenstehenden unlesbaren Blickaustauschs zwischen Silgenja und dem dunkelhäutigen Gedrungenen betraf. Ein alter Diskurs.
    „Aber wir sind zu einer Entscheidung gelangt. Einem Schritt vorwärts.“
    Ein Pulk von Raben stob an den Erkerfenstern vorbei, ihr unstimmig aufeinander einhackendes Krächzen hallte in die Amtsstube hinein.
    „Sie werden – ihre Zustimmung vorausgesetzt – den Befehl über drei Bataillone der Sechzehnten erhalten, bei Erhebung in den entsprechenden Rang. Damit erhalten Sie die Gelegenheit ihre Theorien zu beweisen. Nicht nur die Gelegenheit, sondern den Befehl. Ihr Auftrag ist es, drei Bataillone der 16. Division des Idirischen Heeres entsprechend ihren dargelegten Theorien in neuen Kampftaktiken auszubilden. Wir betrachten das als einen Test, für den die Barbarenbataillone ein geeignetes Vehikel darstellen. Die unruhige Lage in den Ostprovinzen wird ihnen genügend Gelegenheit geben, die Anwendbarkeit ihrer Theorien und den Stand ihrer Bemühungen zu deren Umsetzung an der Realität zu messen.
    Jetzt müssen Sie nur noch Ja sagen.“
    Was ?
    „Was?“
    „Nicht Was sondern Ja .“
    Was …?
    „Ja.“ Er hörte wie das Wort kurz und trocken und wie von selbst aus seinem Mund kam. Nicht nutzlos und fruchtlos in ihm wühlen. Er konnte etwas bewirken. Und er brauchte das Geld. Wenn er ehrlich war, brauchte er das Geld sogar dringend. „Natürlich: Ja. Ich meine, ich nehme ihr

Weitere Kostenlose Bücher