Nippon-Connection
dabei, die Papiertüten zuzukleben, in die die Hände des Mädchens zum Schutz gesteckt worden waren. Connor unterbrach ihn bei seiner Arbeit. »Einen Moment!« Er nahm die eine Hand, betrachtete das Gelenk und sah gründlich unter den Fingernägeln nach. An einem Nagel roch er. Dann ließ er einen Finger nach dem anderen mit schnellen Bewegungen nach oben schnellen.
»Reine Zeitvergeudung«, sagte Graham trocken. »Die Totenstarre ist noch nicht eingetreten, und unter den Nägeln haben wir nichts gefunden, weder Hautfetzchen noch Stoffasern. Es gibt überhaupt kaum Anzeichen für einen Kampf.«
Kelly stülpte die Papiertüte über die Hand. Connor fragte ihn: »Können Sie etwas über die Todeszeit sagen?«
»Ich arbeite dran.« Kelly hob den Hintern des Mädchens hoch, um die Rektaltemperatur zu messen. »Die Thermometer unter den Achseln sind schon am Platz. Das werden wir gleich haben.«
Connor befühlte den Stoff des schwarzen Kleides und las, was auf dem Schildchen stand. Helen, eine Mitarbeiterin der Spurensicherung, sagte: »Ist von Yamamoto.«
»Hab’s schon gesehen«, sagte Connor.
»Wer ist Yamamoto?« fragte ich.
»Ein sündhaft teurer japanischer Designer«, klärte Helen mich auf. »Dieses schwarze Nichts kostet mindestens fünftausend Dollar. Allerdings nur, wenn es gebraucht gekauft wurde. Neu muß man dafür an die fünfzehntausend hinlegen.«
»Könnt ihr herausfinden, wo es gekauft wurde?« fragte Con-nor.
»Vielleicht. Kommt darauf an, ob sie es hier oder in Europa oder in Tokio gekauft hat. Wird ein paar Tage dauern.«
Connor verlor sofort das Interesse. »Vergiß es. Dann ist es zu spät.«
Er zog eine kleine Halogen-Taschenlampe hervor und begann die Kopfhaut und das Haar des Mädchens zu untersuchen. Dann betrachtete er kurz die Ohren. Beim rechten Ohr murmelte er überrascht etwas vor sich hin. Ich schaute ihm über die Schulter und sah einen eingetrockneten Blutstropfen am Ohrringloch.
Connor fühlte sich durch mich offenbar belästigt, denn er sah zu mir auf und sagte: »Dürfte ich wohl mal, kōhai?«
Ich trat einen Schritt zurück. »Entschuldigung!«
Als nächstes verformte Connor den Mund des Mädchens zu einer Schnute, drückte den Unterkiefer hinunter und rasch wieder nach oben und leuchtete mit der kleinen Stablampe in ihren Mund.
Dann drehte er den Kopf auf dem Tisch nach links und nach rechts und tastete vorsichtig, fast zärtlich, ihren Hals ab.
Danach trat er abrupt von der Leiche zurück, sagte: »Gut. Ich bin fertig«, und verließ den Konferenzsaal.
Graham schaute auf. »Der hat es am Tatort noch nie gebracht.«
»Wie kommst du darauf?« fragte ich ihn. »Soviel ich gehört habe, ist er ein hervorragender Detective.«
»Quatsch!« erwiderte Graham. »Das siehst du doch selbst.
Der hat keine Ahnung, was zu tun ist. Kennt sich überhaupt nicht aus. Connor ist kein Detective, Connor hat Beziehungen. Nur aus diesem Grund hat er die Fälle gelöst, für die er so berühmt geworden ist. Erinnerst du dich an die Arakawa-Flitterwochen-Schießerei? Nein? War wohl vor deiner Zeit, Pete-san. Wann war die Arakawa-Geschichte, Kelly?«
»Sechsundsiebzig«, sagte Kelly.
»Genau, sechsundsiebzig. War ‘ne ganz große Sache damals. Mr. und Mrs. Arakawa, ein junges Ehepaar auf Flitterwochen in Los Angeles, stehen in East L.A. am Straßenrand und werden von einem vorbeifahrenden Wagen aus erschossen. Typischer Bandenkriegsstil. Zu allem Überfluß stellt sich bei der Autopsie heraus, daß Mrs. Arakawa schwanger war. Ein gefundenes Fressen für die Presse: Das Los Angeles Police Department wird mit der Bandenkriminalität nicht fertig und so weiter und so weiter. Aus der ganzen Stadt kommen Briefe und Geld. Die Leute sind entsetzt über das, was diesem frischverheirateten Paar in unserer Stadt zugestoßen ist. Und die Detectives, die mit der Klärung des Falls beauftragt sind, finden natürlich nichts heraus. Haben einen Doppelmord mit japanischen Staatsangehörigen als Opfer und kommen absolut nicht weiter - stell dir das mal vor! Nach einer Woche wird Connor auf die Sache angesetzt. Einen Tag später hat er den Fall gelöst. Das reinste Ermittlungswunder. Es war eine Woche danach, verstehst du? An den Leichen konnte er nichts mehr feststellen, die waren schon längst daheim in Osaka, und an der Straßenecke, wo es passiert war, lag ein Berg von verwelkten Blumen. Aber Connor kann beweisen, daß der junge Mr. Arakawa in Osaka ein ganz schlimmer Junge war. Er beweist, daß
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