Nirgendwo in Afrika
die sich Rosen in der Farbe des Himmels bei Sonnenuntergang rankten, lag in einem Park mit einem Teich, in dem Goldfische unter Wasserlilien hervorschossen, und einem kurzgeschorenen Teppich aus dichtem grünem Gras. Die hohen Zedern, auf deren Äste Glanzstare ihr blauleuchtendes Gefieder zu kleinen Fächern formten, dampften noch nach dem Regen vom Morgen. Vor dem Tor am eisernen Zaun stand ein Askari mit breiten Schultern in marineblauer Uniform und einem dicken Holzknüppel, den er mit beiden Händen hielt. Ein kaffeefarbener irischer Wolfshund mit grauen Barthaaren schlief zu seinen Füßen.
Die teure Privatklinik verhalf nur widerwillig Babys von Refugees zum Start ins Leben, aber der sonst durchaus kompromißbereite Doktor Gregory hatte in dieser Beziehung nicht mit sich reden lassen. Er behandelte grundsätzlich keine Patientinnen im Government Hospital, in dem die Ärzte durch die Korridore mit den Krankenabteilungen für Schwarze mußten, ehe sie zu der Station für Europäer gelangten. Sein Honorar hatte bereits während der Schwangerschaft sämtliche Rücklagen aus Jettels Arbeit im Horse Shoe verschlungen, und die Rechnung für die Geburt und den Aufenthalt im Eskotene würde bestimmt auch den zusätzlichen Sold aufbrauchen, der einem Sergeant bei der Geburt eines Kindes zustand.
Trotzdem war Doktor Gregory auch bei Patientinnen, die sich ihn nicht leisten konnten und die seinem hart erarbeiteten Niveau nicht entsprachen, ein Arzt voller Anteilnahme und Gewissenhaftigkeit. Er hatte, wie er im eigenen Kreis mit mildem Erstaunen über seine bis dahin unvermutete tolerante Art lächelnd berichtete, sich sogar an Jettels Aussprache gewöhnt. Jedesmal, wenn er sie untersucht hatte, erwischte er sich dabei, daß er noch einige Zeit danach das R auf eine geradezu absurde Art rollte.
Vor allem aber ließ er den doch sehr fremden Vogel in seiner distinguierten Praxis nicht fühlen, daß er für den gewaltigen Restteil des Geldes, das ihm zustand, sehr diskret und mit Hinweis auf Jettels Alter und die zu erwartenden Komplikationen während der Schwangerschaft und bei der Geburt die Jüdische Gemeinde Nairobi eingeschaltet hatte. Immerhin saß er seit Jahren zusammen mit dem alten Rubens im Vorstand und hatte nie gezögert, sich weiter öffentlich zum Judentum zu bekennen, auch nicht, als er seinen ursprünglich polnischen Namen gegen die angenehm aussprechbare englische Version eintauschte.
Doktor Gregory, der schon deshalb seine Patientinnen zweimal täglich besuchte, weil das Eskotene auf dem Weg zum Golfplatz lag und er von Jugend an ein besonderes Talent zur Kombination von Pflicht und Neigung hatte, war gerade bei Jettel, als Walter mit Regina erschien. Die beiden blieben unschlüssig an der Tür stehen, als sie ihn sahen. Ihre Unbeholfenheit, die Verlegenheit des Vaters, die sofort in eine bedrückte Servilität überging, und die Tochter mit dem Körper eines Kindes und einem Gesicht, das durch zu frühe Erfahrungen mit dem Leben geprägt schien, rührten den Arzt.
Er fragte sich ein wenig betroffen von einer Scham, die ihn mehr irritierte als ihm angenehm war, ob er sich nicht eingehender mit dem Schicksal der kleinen Familie hatte beschäftigen müssen, die ihn in ihrer spürbaren Verbundenheit, die ihm skurril altmodisch erschien, an die Erzählungen seines Großvaters erinnerte. Er hatte seit Jahren nicht mehr an den alten Mann gedacht, der in einer kleinen, feuchten Wohnung im Londoner East End auf lästige Weise gerade an jene Wurzeln zu appellieren pflegte, von denen sich der ehrgeizige Medizinstudent energisch zu befreien versucht hatte. Die Regung war indes zu flüchtig, um ihr nachzugeben.
»Come on«, rief er deshalb in einer etwas übertriebenen Lautstärke, die er sich eigens für die nach Herzlichkeit dürstenden Leute vom Kontinent angewöhnt hatte, und dann in einem Gefühl der Verbundenheit, das er sich nur mit Sentimentalität erklären konnte, fügte er, viel leiser und gar ein wenig scheu »Massel tow« hinzu. Er klopfte Walter auf den Rücken, streichelte etwas abwesend Reginas Kopf, wobei seine Hand auf ihre Wange rutschte, und verließ eilig den Raum.
Erst als der Arzt die Tür hinter sich zuzog, sah Regina in Jet-tels Armbeuge den winzigen Kopf mit einer Krone aus schwarzem Flaum. Sie hörte, wie aus einem Nebel, der Laute schluckt, den Atem ihres Vaters und sofort danach ein leises Wimmern des Neugeborenen und wie Jettel mit lockenden Lauten das Kind beruhigte. Regina
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