Nirgendwo in Afrika
wollte laut lachen oder zumindestens so kreischend jubeln wie ihre Mitschülerinnen bei einem gewonnen Hockeyspiel, aber ihr gelang nur ein Gurgeln in der Kehle, das ihr sehr kümmerlich vorkam.
»Komm«, sagte Jettel, »wir beide haben schon auf dich gewartet.«
»Halt ihn fest, einen neuen können wir uns nicht mehr leisten«, mahnte Walter und legte Regina das Kind in die Arme. »Das ist dein Bruder Max«, sagte er mit fremder, feierlicher Stimme, »ich habe ihn schon heute früh schreien hören. Der weiß ganz genau, was er will. Wenn er groß ist, wird er gut für dich sorgen. Anders als ich für meine Schwester.«
Max hatte die Augen geöffnet. Sie leuchteten blau aus einem Gesicht, das die Farbe der jungen Maiskolben von Rongai hatte, und die Haut roch nach der Süße von frisch gekochtem Po-scho. Regina berührte die Stirn ihres Bruders mit ihrer Nase, um den Duft in Besitz zu nehmen. Sie war ganz sicher, daß sie sich nie wieder im Leben so am Glück würde betäuben können. In diesem Augenblick sagte sie ihrer Fee, die sie nun nie mehr würde bemühen müssen, ein letztes Lebewohl. Es war ein kurzer Abschied ohne Schmerzen und Zaudern.
»Willst du ihm nichts sagen?«
»Ich weiß nicht, in welcher Sprache ich mit ihm reden soll.«
»Er ist noch kein richtiger Refugee und geniert sich nicht, wenn er seine Muttersprache hört.«
»Jambo«, flüsterte Regina, »jambo, bwana kidogo.« Sie erschrak, als sie merkte, daß das Glück ihre Wachsamkeit für Worte, die ihren Vater ängstigten, eingeschläfert hatte. Reue ließ ihr Herz zu schnell schlagen. »Gehört er«, fragte sie befangen, »wirklich mir?«
»Uns allen.«
»Und Owuor auch«, sagte Regina und dachte an die Gespräche der Nacht.
»Natürlich, solange Owuor bei uns bleiben kann.«
»Heute nicht«, sagte Jettel unwillig, »heute einmal nicht.«
Regina schluckte die Frage, die Neugierde ihr in den Mund zu schieben versuchte, entschlossen herunter. »Heute einmal nicht«, erklärte sie ihrem neuen Bruder, doch sie sprach die Zauberworte nur in Gedanken aus und machte aus dem Lachen, das ihr die Kehle aufrieb, nur einige hohe Töne der Freude, damit weder Vater noch Mutter erfuhren, daß ihr Sohn bereits dabei war, Owuors Sprache zu lernen.
Owuor saß bis nach Sonnenuntergang mit dem Kopf zwischen den Knien und Schlaf unter den Augenlidern vor der Küche, ehe er den Wagen kommen hörte, der mehr schrie als ein von Lehm und Steinen mißhandelter Traktor. Weil der Bwana erst dem Gauner Slapak das Auto zurückgeben mußte, würde es noch eine Zeit dauern, bis Owuors Warten ein Ende hatte, aber Owuor hatte nie die Stunden gezählt, nur die guten Tage. Er bewegte langsam einen Arm und dann ein wenig seinen Kopf in Richtung der Gestalt, die hinter ihm an der Wand lehnte, und döste befriedigt weiter.
Auch Slapak liebte den Geschmack von Freude. Gerade weil er nach dem vierten Kind, das gerade zu krabbeln begann, in seiner eigenen Familie selbst die Geburt eines Sohnes mit gleicher Nüchternheit betrachtete wie das Warenlager in seinem seit Kriegsende außergewöhnlich gut florierenden Second-handshop, verlangte es ihn nach fremdem Glück. Er zog Walter und Regina in seine beengte, nach feuchten Windeln und Krautsuppe riechende Wohnstube, als die beiden ihm die Autoschlüssel zurückbrachten.
Sahen die meisten Menschen im Hove Court in Leon Slapak nur den gerissenen Geschäftsmann, der seine eigene Mutter zu Geld machen würde, wenn es für ihn nur von kleinstem Vorteil wäre, so war er doch im Herzen ein frommer Mann, dem die Gnade, die anderen widerfuhr, als Bestätigung galt, daß Gott es gut mit guten Menschen meinte. Und dieser Soldat in der fremden Uniform, dessen Augen zeigten, daß er sich seine Verwundungen nicht auf dem Schlachtfeld geholt hatte, sondern im Kampf mit dem Leben, hatte ihm in seiner Bescheidenheit und Freundlichkeit immer gefallen. Slapak grüßte Walter, wenn er ihn sah, und er freute sich stets an der Dankbarkeit, mit der sein Gruß erwidert wurde und die ihn an die Männer seiner Heimat erinnerte.
So schüttete der von seinen Nachbarn verachtete Slapak ein Glas, das er sorgsam mit seinem Taschentuch abrieb, voller Wodka, drückte es Walter in die Hand, nahm selbst einen Schluck aus der Flasche und sagte eine ganze Reihe von Worten, von denen Walter so gut wie kein einziges verstand. Es war die übliche Mischung der Refugees aus dem Osten; sie bestand aus polnischen, jiddischen und englischen Ausdrücken, die Walter, je
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