Nirgendwo in Afrika
winzigen Porzellanschüssel, aus der er morgens seinen Haferbrei aß, durch den dunklen Garten. Beide riefen sich zu: »Es ist soweit«, und klopften zu gleicher Zeit mit dem Zeigefinger an die Stirn, um einander anzudeuten, daß sie beide an ihrem Verstand zweifelten.
Sehr viel früher hatte Chepoi zwei enttäuschte Offiziere wegschicken müssen, ohne daß die ausgehungerten jungen Männer die Reize der berühmten Mrs. Wilkins mit auch nur einem Blick hatten beurteilen dürfen. Diana selbst stand noch im Morgengrauen am Fenster. Sie trug die goldfarbene Krone mit den bunten Steinen, die ihr bei ihrem einzigen Moskauer Auftritt die Verheißung einer Zukunft vorgegaukelt hatte, die nie Wirklichkeit geworden war. In den kurzen Pausen, die sie sich im Sessel gönnte, bespritzte sie ihren Hund so oft mit ihrem Lieblingsparfüm, daß er sie mit ungewohnter Beherztheit in den Finger biß, um seine Nase zu schützen.
Ihrerseits kränkte Diana das übermüdete Tier, indem sie es »dreckiger Stalin« nannte. Heulend vor Schmerz und Wut und gepeinigt von einer vagen Abneigung gegen alles, was sie im nüchternen Zustand sehr klar mit »Bolschewiks« hätte ausdrücken können, gab sie endlich den Bemühungen von Chepoi nach, sie zu beruhigen. Sie ließ sich nach einem ungewöhnlich kurzen Kampf die Whiskyflasche entwinden und mit seinem Versprechen ins Bett bringen, sie sofort bei eventuellen Neuigkeiten zu wecken.
Ohne aber daß im Hove Court auch nur ein kleines Zeichen auf die Bedeutsamkeit des Augenblicks hinwies, wurde eine Minute nach fünf Max Ronald Paul Redlich im fünf Meilen entfernten Eskotene Nursing Home geboren.
Sein erster Schrei und ein plötzliches, dumpfes Grollen vom Himmel, das wie der Aufbruch einer Herde von bedrohten Gnus klang, setzten zu gleicher Zeit ein. Als Schwester Amy Patrick das Kind auf die Waage legte und dessen Gewicht von fünf Pfund und vier Unzen sowie den langen, schwer zu buchstabierenden Namen auf einem Zettel notierte, belebten sich ihre trüben Augen um eine sehr feine Schattierung ins Helle, und sie sprach von einem Wunder.
Sowohl das für den Anlaß übertriebene Lächeln der von ihrer dritten schlaflosen Nacht zermürbten Hebamme als auch die euphorische Beschwörung einer außerirdischen Macht galten nicht dem Kind und schon gar nicht der erleichterten Mutter, deren für empfindliche Ohren so quälender Akzent Schwester Amy bei der schwierigen Geburt als äußerst hinderlich empfunden hatte. Amy Patricks spontane Begeisterung war lediglich Ausdruck eines verständlichen Erstaunens, daß der kleine Regen doch noch und ohne entsprechende Hinweise in den Wetternachrichten vom Vortag Nairobi vom Trauma einer noch nie dagewesenen Hitze erlöst hatte. Die Hebamme fühlte sich derart befreit, daß sie trotz des bedauerlichen Umstands, daß es an kundigen Zuhörern fehlte, ihren britischen Humor laut werden ließ. Als sie dem Neugeborenen die Nabelbinde umlegte, sagte sie mit einem Hauch von Zufriedenheit: »Meine Güte, der Kerl schreit ja wie ein kleiner Engländer.«
Der Himmelssegen war für eine verspätete Regenzeit ungewöhnlich dürftig. Er würde höchstens zum Gesprächsstoff für eine Woche taugen und allenfalls ausreichen, um das Gefieder der kleinsten Vögel, die Wellblechdächer und die oberen Äste der Dornakazien vom Staub zu befreien. Daß aber überhaupt Regen eingesetzt hatte, bestärkte alle wohlwollenden Menschen, die freiwillig ihre Nachtruhe geopfert hatten, in der Zuversicht, die Geburt von Max Redlich wäre ein außergewöhnliches Ereignis und das Kind könne gar ein Hoffnungsträger für die zweite Generation der Refugees sein.
Regina und Owuor merkten zunächst nichts von Walters Heimkehr. Sie hörten weder den kräftigen Stoß, den er der klemmenden Eingangstür versetzte, noch den Fluch, als er über den schnarchenden Hund stolperte. Sie schreckten erst, dann allerdings wie zwei Soldaten beim plötzlichen Einsatzbefehl, aus ihrem Dämmerzustand hoch, als dröhnende Würgelaute aus der Küche kamen. Owuor gab der offenen Tür einen Tritt, mit dem er selbst als junger Mann noch nicht einmal einen widerborstigen Esel zur Arbeit angetrieben hätte. Sein Bwana kniete stöhnend vor einem verrosteten Eimer, den er mit beiden Händen umklammerte.
Regina rannte auf ihren Vater zu und versuchte, ihn wenigstens von hinten zu umarmen, ehe Enttäuschung und Entsetzen sie lahmlegen würden. Als Walter ihre Arme an seiner Brust spürte, richtete er sich wie ein Baum
Weitere Kostenlose Bücher