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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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mehr er von Slapak mit heißem Herzen und kühlem Alkohol bedacht wurde, schon deshalb an Sohrau erinnerten, weil Slapak bald die Mühe mit dem Englischen und danach auch das Jiddische aufgab und nur noch Polnisch sprach. Seinerseits freute sich Slapak an den wenigen Brocken Polnisch, die Walter aus seiner Kindheit kannte, als hätte er ein unerwartet gutes Geschäft gemacht.
    Es wurde ein Abend des Einverständnisses zwischen zwei Männern, die Erinnerungen nachgingen, die aus zwei sehr verschiedenen Welten stammten und die doch die gemeinsame Wurzel des Schmerzes hatten. Zwei Väter dachten nicht an ihre Kinder, sondern an die Pflicht der Söhne, die sie nicht hatten erfüllen dürfen. Obwohl sein Gast im gleichen Alter war, verabschiedete ihn Slapak kurz vor Mitternacht mit dem alten Segen der Väter. Danach schenkte er Walter einen Kinderwagen, den er selbst frühestens in einem Jahr wieder brauchen würde, ein Paket zerfetzter Windeln und ein Kleid aus rotem Samt für Regina, für das ihr mindestens fünfzehn Pfund und ebenso viele Zentimeter fehlten.
    »Ich habe die Geburt meines Sohnes mit einem Mann gefeiert, mit dem ich nicht reden kann«, seufzte Walter auf dem kurzen Weg zum Flat. Er gab dem Kinderwagen einen Stoß. Die Räder mit ihrem brüchig gewordenen Gummi knirschten auf den Steinen. »Vielleicht kann ich eines Tages darüber lachen.« Er hatte das Bedürfnis, Regina zu erklären, weshalb er trotz der wohltuenden Wärme den Besuch bei Slapak als Symbol für sein ausgegrenztes Leben empfand, doch er wußte nicht wie.
    Auch Regina war dabei, ihrem Kopf zu befehlen, jene verwirrenden Gedanken zu halten, die nicht laut werden sollten, aber dann sagte sie doch: »Ich bin gar nicht traurig, wenn du jetzt Max lieber hast als mich. Ich bin ja kein Kind mehr.«
    »Wie kommst du auf so einen Quatsch? Ohne dich hätte ich die ganzen Jahre nicht durchgehalten. Glaubst du, ich kann das vergessen? Schöner Vater bin ich. Mehr als Liebe konnte ich dir nie geben.«
    »Es war enough.« Zu spät merkte Regina, daß sie das deutsche Wort nicht rechtzeitig gefunden hatte. Sie rannte dem Kinderwagen nach, als sei es wichtig, ihn einzufangen, ehe er an die Eukalyptusbäume kam, hielt ihn an, rannte zurück und umarmte ihren Vater. Der Geruch von Alkohol und Tabak, der aus seinem Körper kam, und das Gefühl der Geborgenheit, das in ihrem kochte, verbanden sich zu einem Taumel, der sie benommen machte.
    »Ich liebe dich mehr als alle anderen Menschen auf der Welt«, sagte sie.
    »Ich dich auch. Aber das erzählen wir keinem. Nie.«
    »Nie«, versprach Regina.
    Owuor stand so aufrecht vor der Tür wie der Askari mit dem Knüppel im Krankenhaus. »Bwana«, sagte er und tränkte seine Stimme mit Stolz, »ich habe schon eine Aja gefunden.«
    »Eine Aja? Du bist ein Esel, Owuor. Was sollen wir mit einer Aja? In Nairobi ist das nicht wie in Rongai. In Rongai hat der Bwana Morrison die Aja bezahlt. Sie hat auf seiner Farm gewohnt. In Nairobi muß ich eine Aja bezahlen. Das kann ich nicht. Ich hab nur genug Geld für dich. Ich bin kein reicher Mann. Das weißt du.«
    »Unser Kind«, erwiderte Owuor zornig, »ist so gut wie andere Kinder. Kein Kind kann ohne Aja sein. Die Memsahib kann mit so einem alten Wagen nicht im Garten fahren. Und ich kann nicht bei einem Mann arbeiten, der keine Aja für sein Kind hat.«
    »Du bist der große Owuor«, höhnte Walter.
    »Das ist Chebeti, Bwana«, erklärte Owuor und fütterte jedes der vier Worte mit Geduld. »Du mußt ihr nicht viel Geld geben. Ich habe ihr alles gesagt.«
    »Was hast du ihr gesagt?«
    »Alles, Bwana.«
    »Aber ich kenne sie doch nicht.«
    »Ich kenne sie, Bwana. Das ist gut.«
    Chebeti, die vor der Küchentür gesessen hatte, stand auf. Sie war groß und schlank, trug ein weites, blaues Kleid, das ihre nackten Füße bedeckte und als lose gebundener Umhang um ihre Schultern hing. Um den Kopf war ein weißes Tuch zum Turban geschlungen. Sie hatte die langsamen, graziösen Bewegungen der jungen Frauen aus dem Stamm der Jaluo und deren selbstsichere Haltung. Als sie Walter die Hand hinhielt, öffnete sie den Mund, doch sie sprach nicht.
    Regina stand noch nicht einmal nahe genug, um in der Dunkelheit das Weiß in den fremden Augen zu sehen, aber sie merkte sofort, daß Chebetis Haut und die von Owuor den gleichen Geruch hatten. Wie Dik-Diks zur Mittagszeit im hohen Gras.
    »Chebeti wird eine gute Aja, Papa«, sagte Regina, »Owuor schläft nur mit guten Frauen.«
    Captain

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