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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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Umgang mit juristischen Formulierungen ungenau und unbeholfen war, stellte er Colonel Whidett zufrieden. Er hatte wenig Neigung, sich für den Rest des Kriegs mit Menschen zu beschäftigen, die sein Leben aus dem Lot brachten, und nur noch das Ziel, möglichst viele von ihnen zu entlassen. Er verfügte nicht nur, daß Oscar Hahn und Walter zu den ersten gehörten, die das Camp verlassen durften, sondern sorgte auch dafür, daß Lilly vom New Stanley und Jettel mit Regina aus dem Norfolk abgeholt und mit den beiden Männern nach Gilgil gebracht wurden.
    »Warum tust du das alles für uns?« hatte Walter am letzten Abend im Ngong gefragt.
    »Eigentlich müßte ich jetzt sagen, daß es meine Pflicht ist, einem Bundesbruder zu helfen«, hatte Hahn erwidert, »aber ich mach es einfacher. Ich hab' mich an dich gewöhnt, und meine Lilly braucht Publikum.«
    Die Farm von Hahns mit Kühen und Schafen auf sanften grünen Hügeln und Hühnern, die neben dem großen Gemüsegarten in einer Sandfläche scharrten, mit akkurat angelegten Maisfeldern und dem Haus aus weißem Stein vor dem kurzgeschorenen Rasen, um den Rosen, Nelken und Hibiskus wuchsen, hieß Arkadia und erinnerte an einen deutschen Gutshof. Die Wege um das Haus waren mit Stein belegt, die Außenwände vom Küchengebäude in blau-weißem Rautenmuster gestrichen, das Toilettenhaus grün und die hellen Holztüren vom Wohnhaus mit einer Lackfarbe überzogen.
    Unter einer hohen Zeder stand eine mit lila Bougainvilleen bewachsene Laube mit weißen Stühlen vor einem runden Tisch. Manjala, der Hausboy, hatte um sein weißes Kanzu, in dem er die Mahlzeiten servierte, einen silbernen Gürtel, den Lilly auf dem letzten Faschingsball ihres Lebens getragen hatte. Der Pudel mit den schwarzen Locken, die in der Sonne wie winzige Stücke Kohle glänzten, hieß Bajazzo.
    Walter und Jettel kamen sich auf Arkadia wie verirrte Kinder vor, die von ihren Rettern mit der Ermahnung zu Hause abgeliefert werden, nie mehr allein fortzulaufen. Es war nicht nur die Herzlichkeit und Gelassenheit ihrer Gastgeber, die ihnen neue Kraft gab, sondern die Geborgenheit in dem Haus selbst. Alles erinnerte sie an eine Heimat, die sie in solcher Üppigkeit nie kennengelernt hatten.
    Die runden, mit grünem Leder überzogenen Tische, der wuchtige Frankfurter Schrank vor eierschalfarbenen Stores, mit grauem Samt bezogene Stüble, Ohrensessel mit Bezügen aus geblümtem englischem Leinen und eine Mahagonikommode mit goldenen Beschlägen stammten von Ohas Eltern, das schwere Tafelsilber, die Kristallgläser und das Porzellan aus Lillys Aussteuer. Es gab gefüllte Bücherschränke, an den hellen Wänden Kopien von Frans Hals und Vermeer und im Wohnzimmer das Bild einer Kaiserkrönung im Frankfurter Römer, vor dem Regina jeden Abend saß und sich von Oha Geschichten erzählen ließ. Vor dem Kamin stand ein Flügel mit einer weißen Mozartbüste auf einer roten Samtdecke.
    Unmittelbar nach Sonnenuntergang trug Manjala Getränke in bunten Gläsern herein und bald darauf so vertraute Gerichte, als könne Lilly täglich bei deutschen Metzgern, Bäckern und Kolonialwarenhändlern einkaufen. Ihre Stimme, die selbst dann zu singen schien, wenn sie nach den Boys rief oder die Hühner fütterte, und Ohas Frankfurter Zungenschlag kamen Walter und Jettel wie Botschaften aus einer fremden Welt vor. Abends sang Lilly das Repertoire ihrer Vergangenheit.
    Vor der Tür hockten die Boys; die Frauen standen mit Säuglingen auf dem Rücken vor den offenen Fenstern, und in den Pausen setzte sich der Pudel auf seine Hinterpfoten und bellte leise und melodisch in die Nacht. Obwohl Walter und Jettel solche musikalischen Erlebnisse nie kennengelernt hatten, vergaßen sie bei den nächtlichen Konzerten alle Bedrückung und gaben sich romantischen Gefühlen hin, die ihnen Hoffnung und Jugend zurückbrachten.
    Oha hatte ebensogroße Freude an seinen Gästen wie sie an seiner Gastfreundschaft, denn weder er noch die Menschen auf der Farm konnten lange genug Lillys Bedürfnis nach neuen Zuhörern stillen, doch er wußte, daß der Zustand von beglük-kendem Geben und dankbarem Nehmen nicht von Dauer sein durfte.
    »Ein Mann muß seine Familie ernähren können«, sagte er zu Lilly.
    »Du redest wie früher, Oha. Du bist und bleibst ein Deutscher.«
    »Leider. Ohne dich wäre ich in der gleichen trostlosen Lage wie Walter. Wir Juristen haben eben nichts gelernt außer dummes Zeug.«
    »Da ist eine Sängerin doch besser dran.«
    »Nur, wenn

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