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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Zweig
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ein Zahnarzt, der so hieß, sich vor zwei Jahren in Nakuru niedergelassen hatte. Danach brauchte er noch einmal Zeit, bis er sich erinnerte, wo er den Namen außerhalb seines Wirkungskreises gehört hatte. Der unglückselige Mr. Williamson hatte in den Poloklub eintreten wollen, der jedoch nun mal keine Juden aufnahm. Eine recht peinliche Sache war das damals gewesen. Mindestens so provozierend wie die Erörterung von finanziellen Angelegenheiten, ehe der Arzt überhaupt Gelegenheit zu seiner ersten Untersuchung fand.
    Charters fühlte sich brüskiert. Er zwang sich jedoch mit der  Einsicht zur Gelassenheit, daß die Leute vom Kontinent vielleicht ohne Arg zu solchen Kruditäten neigten. Leider auch zu einem übertriebenen Mitteilungsbedürfnis, wie er betroffen feststellte, als ihm bewußt wurde, daß er den Redefluß der aufreizend blonden Frau doch nicht rechtzeitig gestoppt hatte. Er war bereits dabei, eine äußerst verwirrende Geschichte von unbekannten Leuten in Deutschland zu erfahren, die offenbar einen engen Bezug zu der Schwangeren hatten.
    »Wie kommt es, daß sie im Stag's Head wohnt?« unterbrach der Arzt Lillys Bericht. Er ärgerte sich sofort über seinen brüsken Ton, der so gar nicht zu seiner von allen so geschätzten verbindlichen Art paßte.
    »Die Schwangerschaft war von Anfang an schwierig. Wir glauben nicht, daß meine Freundin das Kind allein auf der Farm bekommen sollte.«
    Es war klüger, fand Charters, keine weiteren Fragen zu stellen, wollte er nicht in die Lage gezwungen werden, daß er nur deshalb den Fall übernehmen mußte, weil er sich zu früh medizinisch involviert hatte. Mit der sorgsam bemessenen Andeutung eines Lächeln bekämpfte er sein Unbehagen.
    »Sie kann wohl«, fragte er und nickte so abwesend in Jettels Richtung, daß er sie dabei nicht anzuschauen brauchte, »kein Englisch?«
    »Nicht viel. Also fast gar nicht. Deshalb bin ich ja mitgekommen. Ich lebe in Gilgil.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen. Aber Sie werden wohl kaum bis zur Geburt hierbleiben und dann neben mir im Hospital stehen wollen, um zu dolmetschen.«
    »Nein«, stotterte Lilly, »ich meine, so weit haben wir noch gar nicht gedacht. Mrs. Williamson hat Sie uns als den Arzt empfohlen, der uns helfen kann.«
    »Mrs. Williamson«, entgegnete Charters nach einer Pause, die ihm genau richtig erschien, nicht zu lang und erst recht nicht zu kurz, »lebt noch nicht lange hier. Sonst hätte sie bestimmt Dr. Arnold erwähnt. Sie ist genau die Richtige für Sie. Eine ungewöhnliche Ärztin.«
    So froh und erstaunt, wie er war, daß er genau in diesem Moment eine so elegante Lösung gefunden hatte, kostete es Charters Überwindung, sich seine Zufriedenheit nicht anmerken zu lassen. Die gute alte Janet Arnold war wahrhaftig seine Rettung. Manchmal vergaß er noch, daß sie jetzt in Nakuru lebte. Jahrelang war sie mit ihrem klapprigen Ford, der allein schon ein Witz war, in die entlegensten Gebiete kutschiert, um die Eingeborenen auf den Farmen und in den Reservaten zu behandeln.
    Das alte Mädchen war eine Mischung aus Florence Nightingale und irischem Dickschädel und scherte sich keinen Deut um Geschmack, Konvention und Tradition. In Nakuru behandelte die ewige Rebellin Massen von Indern und Goanesen und natürlich auch viele Schwarze, von denen sie wohl kaum je einen Cent bekam, und bestimmt auch die Habenichtse vom Kontinent, für die schon ein gebrochener Arm eine finanzielle Katastrophe war. Jedenfalls hatte Janet Arnold ausschließlich Patienten, denen es nichts ausmachte, daß sie nicht mehr die Jüngste war und zudem noch eine verdammt unbritische Art hatte, ungefragt ihre Meinung zu sagen.
    Charters legte den Kalender weg, in dem er zu blättern pflegte, wenn er bedauerlich deutlich werden mußte, und sagte: »Ich bin nicht der Mann für Sie, denn ich habe vor, in allernächster Zeit mal gründlich auszuspannen. Mrs. Arnold«, lächelte er, »wird Ihnen gefallen. Sie spricht mehrere Sprachen. Vielleicht auch die Ihres Volkes.«
    Es störte ihn ein wenig, daß er zumindestens den letzten Satz nicht mit seinem gewohnten Takt formuliert hatte, und so fügte er mit einem Wohlwollen, das er als sehr gelungen empfand, hinzu: »Ich gebe Ihnen gern eine Empfehlung an Dr. Arnold  mit.«
    »Danke«, wehrte sich Lilly. Sie wartete, bis die Rage in ihr nur noch aus kleinen wütenden Stößen bestand, und sagte dann in der gleichen ruhigen Tonlage wie der Arzt, aber auf Deutsch: »Du arrogantes Schwein, du

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