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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Dunmore
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entschieden. Und vielleicht bessert sich ja schon die Sicht. Ich kann ungefähr die Linie ausmachen, wo die zahlreichen Steine und der Sand zusammentreffen. Der Felsen, den ich hinabgeklettert bin, ist im wallenden Nebel verschwunden, aber mir kann nichts passieren. Wenn ich nach Hause gehen will, brauche ich mich nur vom Geräusch der Brandung zu entfernen, dann stoße ich automatisch auf die Steine, die sich unter dem Felsvorsprung befinden.
    Ich gehe vorsichtig weiter, setze einen Fuß nach dem anderen auf den harten Sand, der zum Wasser hin flach abfällt. Feuchte Nebelschwaden streichen über meine Wangen.
    »Conor! Conor! Komm raus, wenn du hier bist, bitte!«
    Ich mag dieses Versteckspiel nicht, wenn ich der Suchende bin und jederzeit jemand aus seinem Versteck springen kann. Ich hasse es, wenn mich jemand anspringt. Aber ich bin mir immer noch sicher, dass es richtig war, hier in die Bucht zu kommen. Conor muss ganz in der Nähe sein.
    Doch habe ich Angst, erneut zu rufen. Ich blicke zurück zum Strand, aber sogar die Steine sind inzwischen vom undurchdringlichen Nebel verschluckt worden. Das Geräusch des Meeres scheint von allen Seiten zu kommen. Haaa … Haaa … Haaaa …
    Meine Hände krampfen sich so hart zusammen, dass sich die Nägel in die Handflächen bohren. Dir kann nichts passieren, Sapphire. Sei nicht so ein idiotisches kleines Baby. Solange der Strand sich nach unten neigt, wird er mich zum Meer führen. Ich kenne die Form der Bucht ebenso gut wie die Form meiner eigenen Hand. Bis zur Mündung der Bucht fällt der Meeresboden sanft ab, dann stürzt er plötzlich jäh in die Tiefe. Wenn man hinausschwimmt, sieht man
an dieser Stelle, wie das Wasser plötzlich dunkel wird. Conor hat mehrfach versucht, bis zum Grund zu tauchen, hat es aber nie geschafft.
    Ich strecke die Arme nach vorne und taste mich langsam durch den Nebel.
    Plötzlich höre ich eine Stimme. Sie kommt aus weiter Ferne und schallt über das Wasser:
    Ach, wäre ich doch in Indigo
und teilte die salzige See
in den tiefsten Fluten,
wo weder Liebe noch Leid
mich bedrücken …
    Das ist Dad! Ich fühle ein Prickeln am ganzen Körper, als träfe mich ein Blitz.
    »Dad!«, rufe ich. »Wo bist du? Ich bin’s, Sapphire. Bitte komm zurück, Dad!«
    Der Gesang bricht ab. Stille. Das Lied hallt durch meinen Kopf. Ich kenne es so gut und auch die Stimme, die es singt …
    Aber tue ich das wirklich? Sehr leise setzt der Gesang wieder ein. Und jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Der Gesang ist wunderschön. Die Stimme ist so klar und sanft, dass ich nicht einmal sagen könnte, ob sie einem Mann, einer Frau oder einem Kind gehört. Sie ist so rein, dass ich wünschte, der Nebel würde mich zu ihr tragen.
    Sag mir den Grund,
warum du mich verschmähst …
    Ich habe Dad mal gefragt, was das Wort »verschmähen« bedeutet. Er sagte mir, es bedeute, jemanden beiseite zu schieben, keine Notiz von ihm zu nehmen. In dem Lied will der Sänger wissen, warum er von der Person, die er liebt, ignoriert wird.
    Verschmäht. Ich brauche nicht mehr zu fragen, was das Wort bedeutet.
    Warum hast du uns verlassen, Dad? Wolltest du uns nicht mehr? Waren wir dir nicht mehr gut genug? Wo bist du, Dad? Antworte, wenn du mich hörst, bitte!
    Aber ich sage diese Worte nicht laut. Ich stehe unbeweglich da, wie ein Stein im Nebel, und versuche, dem Echo des Gesangs zu lauschen. Es ist Dads Lied, doch je länger ich ihm zuhöre, desto weniger glaube ich, dass es seine Stimme ist.
    Dann passiert noch etwas anderes: Der Nebel beginnt, sich zu lichten. Es wird zunehmend heller und plötzlich reißt er auseinander und lässt einen weißen Sonnenstreifen hervorblitzen. Als ich mich umdrehe, sehe ich die Umrisse der Felsen. Dort sind die Höhlen, da drüben die Felsblöcke. Ich wende mich dem Meer zu. Dort unten am Wasser, am Rande der Bucht, thront ein Junge auf einem der hohen Felsen. Er sitzt mit dem Rücken zu mir und blickt auf das Meer. Ich sehe nur seinen Kopf und seine Schultern. Aber diese dunklen, nassen Haare kommen mir irgendwie … natürlich, das ist doch …
    »Conor!«
    Der Junge dreht sich um. Jetzt sehe ich, dass es nicht Conor ist, sondern ein Fremder. Ich werde von Angst gepackt. Er hebt seine Hand und winkt, als würde er mich kennen. Aber ich kenne ihn nicht. Ich habe ihn noch nie zuvor
gesehen. Erneut hebt er die Hand und diesmal winkt er mich zu sich heran. Er will, dass ich zu ihm komme.
    Ich muss zu ihm. Meine Füße hämmern über den harten,

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