Nixenmagier
sind nicht allzu schlimm. Aber der Druck macht ihr zu schaffen.«
»Welcher Druck?«, fragt Conor.
»Sobald sie nicht mehr im Wasser ist«, erklärt Roger, »zerquetscht ihr Eigengewicht die inneren Organe.«
Mals Vater flucht leise vor sich hin. »Wie viele Tiere sind in Cornwall dieses Jahr schon gestrandet? Circa 800?«
»Doppelt so viele wie üblich.«
»Daran sind diese verdammten Trawler mit ihren Schleppnetzen schuld.«
Während sie reden, gehen sie langsam um den Delfin herum und versuchen, sich ein Bild von seiner Verfassung zu machen.
»Wird wohl eine Weile dauern, bis das Rettungsteam hier auftaucht«, sagt Will. »Bei Gwithian ist ein lebender Großer Tümmler gestrandet. Mit dem haben sie noch gut zu tun. Große Tümmler sind ja selten genug, ganz zu schweigen davon, dass einer mal strandet.«
Dieser Delfin ist also ausschließlich auf unsere Hilfe angewiesen. Doch das Wasser steigt wieder, vielleicht besteht noch Hoffnung. »Wird das Wasser sie nicht einfach wieder hinaustragen, nachdem die Flut gekommen ist?«, frage ich.
»So einfach ist das nicht. Sobald sie aus dem Wasser ist, werden die inneren Organe durch ihr Gewicht zerdrückt, da hat Roger schon recht. Wir wissen nicht, welchen Schaden das anrichten wird. Wir brauchen Pontons, um ihr zu helfen, und einen Tierarzt.«
Am Strand kommen weitere Lichter auf uns zu. »Ich hoffe, Mal hat nicht zu viele Leute alarmiert«, sagt Will. »Das Letzte, was wir hier gebrauchen können, ist ein Volksauflauf. Der Delfin würde die Aufregung nicht verkraften.«
Doch Mal hat nur ein paar ältere Jungs mitgebracht, die ich aus dem Surf-Shop kenne. Das Gesicht einer weiteren Person, ein wenig kleiner als die anderen, verbirgt sich unter einer Kapuze.
»Sapphire?«
»Rainbow!«
Sie schlägt ihre Kapuze zurück. Ihre kurzen blonden
Haare leuchten im Schein ihrer Sturmlaterne. Ihr Lächeln ist warmherzig.
»Was machst du hier?«, frage ich. »Entschuldige, ich meine natürlich nicht, dass du hier nicht sein solltest …«
»Patrick hat mir von dem Delfin erzählt. Da drüben, das ist Patrick, mein Stiefbruder.«
Sie haben noch weitere Taschenlampen, mehrere Eimer und ein Bündel dabei, das wie ein zusammengefaltetes Segeltuch aussieht.
»Gott sei Dank ist die See heute ruhig«, sagt Will. »Bei schwerer Brandung hätte sie jetzt keine Chance mehr.«
Keine Chance. Keine Chance. Aber der Delfin darf nicht aufgeben. Ich knie mich neben ihren Kopf in den feuchten Sand. Rainbow kauert sich neben mich.
»Fasst sie nicht an!«, kommandiert Roger.
Ich will sie vor den vielen Lichtern schützen. Die machen ihr sicherlich Angst. Sie hat nie eine Welt ohne die salzige See gekannt, die sie umgab und ihren schweren Körper trug.
»Halte durch«, flüstere ich ihr zu. »Wir versuchen, dir zu helfen. Bitte halt durch.«
Sie sagt nichts, sieht mir jedoch in die Augen. Sie ist sehr erschöpft und hat sich weit in sich selbst zurückgezogen, um zu überleben. Sie will ihr Leben nicht auf dieser kalten, harten Erde beenden.
»Was können wir tun?«, flüstert Rainbow. »Sie siehst aus, als ob sie bald sterben würde.«
»Sag das nicht. Sie kann dich hören.«
»Ich hole ein bisschen Wasser und gieße es über sie. Die Haut eines Delfins muss man doch feucht halten, oder?«
Es regnet immer noch stark, doch Meerwasser ist für einen
Delfin vermutlich besser als Regenwasser. Vielleicht beruhigt sie das. »Ja, gute Idee.«
Rainbow steht auf, schnappt sich einen der Eimer und läuft zum Wasser hinunter. Sie hat recht: Es ist ein gutes Gefühl, praktische Hilfe leisten zu können. Aber ich kann das Delfinweibchen jetzt nicht allein lassen. Sie fühlt sich so einsam. Sie weiß nicht, was sie von der Luft, dem Geruch von Land und unseren hektischen Aktivitäten halten soll. Alles tut ihr weh.
Hinter mir höre ich gedämpfte, aufgebrachte Stimmen. Mals Vater streitet sich mit den Jungs. »Ihr könnt einen lebenden Delfin nicht auf eine Plane hieven. Das tut man nur mit toten Tieren. Damit würdet ihr ihre Qualen nur vergrößern. «
»Wenn wir nichts tun, stirbt sie sowieso«, argumentiert Mal. »Sollen wir es nicht jedenfalls versuchen?«
»Versuchen, das Tier zu misshandeln? Das würde sie umbringen. Sie leidet schon genug.«
»Ich versuche ja nur zu helfen.«
»Das ist aber keine Hilfe, mein Junge.«
»Wir sollten noch mal den Rettungsdienst anrufen und fragen, wie wir uns am besten verhalten sollen, wenn sie schon selbst nicht kommen können«, schlägt
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