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Nizza - mon amour (German Edition)

Nizza - mon amour (German Edition)

Titel: Nizza - mon amour (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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zumal er eine Restaurant-Überraschung versprochen hat.
    Wobei wichtig ist zu wissen: Trotz nicht weniger höchst vortrefflicher, oft auch lustiger Restaurants wie dem »Merenda«, das bis 2008 keine Reservierungen annahm, im Gegensatz zum weiland »Stern«-geschmückten »L’Âne Rouge« am Hafen – in Nizza ißt man zu Hause meist angenehmer; aber die Vorbereitung ist zeitaufwendig, man kann (resp. sollte) nicht schlichtweg bei einem Traiteur oder in einem Supermarkt den berüchtigten Warenkorb zusammenstellen. Die bessere Möglichkeit ist dann eine wahrhaftige Recherche-Tour. Wo gibt es das schwarze Lava-Salz; wo die beste Bressaola, das gute Öl von Ste-Sabine aus Sospel und die reifen violetten Artischocken; wer verkauft ganz jungen Blette (das Gemüsenationalgericht von Nizza, bei uns unter dem Namen Mangold bekannt) und wer den einfachen Cassis-Wein; wo kann man frischen Dill erwischen (schwer zu finden), und wo sind die handgemachten Spinatnudeln wirklich ganz frisch, die raffiniert gewürzten gefüllten Courgette-Blüten eben erst zubereitet? Ob Kaninchen, Kalbsnieren oder Kapaun, ob im Mai die Erdbeeren aus Carpentras, der Spargel aus der Camargue – für alles existiert ein eigener Marktstand, eine winzige Geheimtipp-Bude, ein im entlegensten Winkel der Altstadt verborgener kleiner Laden oder stehen in der hintersten Markthallenecke die zwei ältlichen Schwestern mit ihrem noch warmen Spinatkuchen bereit. Diese Kenntnisse erwirbt man sich erst im Laufe von Jahren, sie sind Insider-Geheimnisse und werden gehütet wie feine alte Kochrezepte von der Hausfrau. Das alles braucht Zeit und Geduld – ein bißchen Perfektionismus, Sammlerstolz und eine Liebe zum Detail.
    Hier ist ein Gedankenschlenker nicht nur angebracht, sondern geradezu geboten. In Frankreich gehören zur Kultur – ebenbürtig der Literatur, der Oper, der Malerei – zwei Bereiche, die bei uns eher als weggewedelte Nebensächlichkeiten abgetan werden: Mode und Essen. Paris hat zwei Modemuseen, in denen man, entzückt von so viel Geschmack, Charme und ja, auch Luxus herumspazieren kann, um die schimmernden, durchscheinenden und in tausend Falten, Plissierungen, Rüschen und bestickten Umhängen sich wie Tänzerinnen darbietenden Kreationen berühmter Couturiers zu bewundern. Es gleicht dem Vergnügen, das man in Lissabons Museum beim Anblick des funkelnden Lalique-Schmucks empfindet.
    Eine mindestens so wichtige Rolle spielt das Essen, zumal in Südfrankreich. Liebevoll werden die diversen Gemüse – Artischocken, Zucchini oder Auberginen und »Pois chiches« (Kichererbsen) – ausgewählt, lange und intensiv der weiße, rosa oder violette Knoblauch berochen, jeder gute Markt bietet mindestens acht Sorten Zwiebeln und zwölf Sorten Kartoffeln feil. Es gibt entzückende kleine Szenen zu beobachten: die alte Frau, die am Fischstand ihr Scheckheft auf die zartrosa Fächer eines großen Rochens legt, als wolle sie mit den abgebrochenen Barten des daneben liegenden Wels’ schreiben, den Stift in seine erloschenen Augen tunken – die dabei aber so schwerhörig ist, daß der Fischhändler ihr mit Stentorstimme den Betrag diktieren muß; die junge Dame, die sich ein Viertel Wirsingkohl abschneiden, in großer Ruhe das entsprechende Rezept erläutern läßt und dabei wie ein Kaninchen vom rohen Wirsing knabbert. Auch weniger Entzückendes, zumal im Supermarché, bietet sich zur Momentaufnahme an: das Teenagergirl vor der Ladenkasse, das bauchfrei und auf Rollerblades, mit dem Handy am Ohr und ohne den Redeschwall am Telefon zu unterbrechen, lässig-belästigend mit einer nicht funktionierenden Scheckkarte zu bezahlen versucht. Seltsame Vorkehrungen für das abendliche Mahl.
    Die provenzalische Küche besteht sozusagen aus Gewürzen und Kräutern – Oregano und Basilikum, Thymian und Salbei, Rosmarin und Estragon. Gewiß gibt es auch an der Côte d’Azur Fleischgerichte, vorab das allenthalben beliebte Bifteck-Tatare, sogar die rote Blutwurst Boudin mit Choucroute, am ehesten Lamm aus dem Sisteron, weil die Tiere dort Bergkräuter futtern. Aber der König der Küste ist der Fisch – ob Dorade oder Loup de Mer, eine Queue de Lotte (beides inzwischen teuer), Merlan oder St-Pierre, und wer beim Rouget, der Roten Meerbarbe, die kleine Leber nicht mitißt, wird »Sot-l’y-laisse« genannt: ein Dummkopf. Die imposanten Fischstände der besseren Märkte bauen so wundersame Pyramiden und farbenfrohe Arrangements aus all den herrlichen Meeresfrüchten

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