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zwischen dem Hauptdarsteller und dem Tod von Lucie Ponceau klar.
Ich gab eine Probe meines Scharfsinns.
„Ich verstehe“, sagte ich. „Er
nimmt Drogen.“
„Nahm“, korrigierte
Montferrier. „Er nahm Drogen. Hat mehrere Entziehungskuren hinter sich. Haben
Sie von Raymond Mourgues gehört?“
„Auch Schauspieler?“
„Und rauschgiftsüchtig.
Ebenfalls von seinem Laster geheilt... bis er wieder rückfällig wurde.
Ergebnis: unmöglich, den Film ordentlich zu Ende zu drehen, in dem er die
Hauptrolle spielte. Genauso der Fall Pierre Lunel. Dasselbe Drehbuch. Jetzt
verstehen Sie vielleicht besser, warum ich, aus Erfahrung klug geworden, meine
Vorsichtsmaßnahmen treffe... Das tragische Ende der armen Lucie wird viel Staub
aufwirbeln. Die Journalisten werden es bis aufs letzte ausschlachten. Überall
wird von Rauschgift die Rede sein. Gefällt mir gar nicht, daß sich eine Frau
wie Lucie, die nicht drogenabhängig war, eine so riesige Menge Opium besorgen
konnte. Kurz und gut, ich fürchte, daß Tony wieder auf den Geschmack kommen und
rückfällig werden könnte, verstehen Sie das?“
„Sehr gut. Ich versteh nur
nicht, was Sie dabei von mir erwarten, Monsieur.“
„Ich möchte, daß Sie Tony
überwachen, Monsieur Burma. Sie sollen verhindern, daß er wieder rückfällig
wird. Als Leibwächter, in einem etwas speziellen Sinn.“
Er trank sein Glas leer. Ich
räusperte mich:
„Hm... Könnten Sie mich mit
Tony Charente bekanntmachen? Ich möchte mir vorher gerne eine Meinung über
seine Person bilden. Wir Privatdetektive haben auch unsere Schwächen...
Eigenarten...“
* * *
Der Bungalow, den der Produzent
seinem Star zur Verfügung gestellt hatte, befand sich am anderen Ende des Parks
der Résidence Montferrier. Ein hübsches Häuschen, vom Sockel bis zum Kamin mit
den schönsten Blumen geschmückt. Nicht weit davon gab es einen Tennisplatz und
einen Swimming-pool. Hundert Jahre alte Bäume schützten den Bungalow vor
neugierigen Blicken.
Ich erkannte Tony Charente
sofort. Entweder ist man Privatdetektiv, oder man ist es nicht. Allerdings war
er alleine, was die Fehlerquote entscheidend senkte. Aber trotzdem. Sein
Gesicht war mir sehr vertraut, weil ich es noch vor kurzem gesehen hatte — und
zwar nicht im Kino, obwohl ich anläßlich eines Dramas seine Bekanntschaft
gemacht hatte... Sein Foto befand sich zusammen mit vielen anderen im Archiv
von Lucie Ponceau.
Als wir hereinkamen, lag der
Schauspieler auf einem Sofa, nur mit sehr kurzen Shorts bekleidet. Er las...
oder tat so. Denn der junge Renommierhund hatte ihm bestimmt unser Kommen
gemeldet. Nicht ausgeschlossen, daß eine kleine Inszenierung stattgefunden
hatte. Das Kissen sah so aus, als wär’s in aller Eile über etwas geworfen
worden. Der Stoff, der unter ihm hervorsah, glich mehr einem Stück Rock als
einem Schachbrett, trotz des Musters. Sanfte Musik klang leise aus einem
kombinierten Radio-Fernsehapparat.
Wie wir es vereinbart hatten,
stellte mich Montferrier als Arthur Martin vor und verlieh mir bei dieser
Gelegenheit auch noch gleich irgendeinen Posten in der Filmbranche.
Tony Charente besaß nicht die
Anmut des Fräuleins mit ähnlichem Namen, besser bekannt in der Geschichte
Frankreichs als Madame de Montespan. Der Schauspieler ging langsam aber sicher
in die Breite. Sein Gesichtsausdruck war mit der Zeit zu wandlungsfähig
geworden, um durchschaubar zu sein. Das machte die Gewohnheit, auf Kommando die
unterschiedlichsten Gefühle auszudrücken. Bei dem Versuch, seine Gedanken zu
erraten — falls er sich welche machte! — , ging es mir
nicht besser. Alles in allem verströmte der Schauspieler eine entsetzliche
Langeweile, obwohl er strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Da war natürlich die
Gefahr für einen ehemaligen Rauschgiftsüchtigen groß, seiner Schwäche
nachzugeben. Geld war ja kein Problem.
Während der nächsten zehn
Minuten einer nichtssagenden Unterhaltung hatte ich Gelegenheit, die berühmte
Stimme des Stars zu bewundern. Wirklich charmant. Dann verabschiedete sich
Montferrier. Der Schauspieler war überrascht, daß ich mich hier so einnistete.
Er machte keinen Hehl daraus. Entschieden marschierte ich offen drauflos:
„Ich muß Ihnen etwas gestehen,
Monsieur Charente. Ich hab nichts mit dem Film zu tun, höchstens als Zuschauer.
Ich heiß auch nicht Arthur Martin. Die Idee, mich so vorzustellen, kam von mir.
Ich wollte Sie nicht erschrecken. Privatdetektive werden nämlich immer schief
angesehen, ich
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