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sofort Bescheid und schickst ihn zu mir. Klar?“
„O.k.!“
Ich lege auf. Dann wähle ich
die Nummer der Weinhandlung Henri-Marc in Bercy.
„Simone Blanchet, bitte.“
„Sie ist nicht da, Monsieur.
Ist heute nicht zur Arbeit gekommen.“
„Danke.“
Heute ist wohl Blauer Montag!
Ich kippe noch ein zweites Glas. Dann geh ich essen. Aber vorher geh ich noch
bei zwei Handwerkern vorbei, die sich mit Schlössern und Schlüsseln auskennen.
Ich zeige ihnen den Schlüssel, den Lecanut bei seinem Tiefflug verloren hat.
Aber sie können mir nicht weiterhelfen. Hab zwar keine übermäßige Hoffnung in
den alten Schlüssel gesetzt, aber auch das bißchen wird mir jetzt völlig
genommen. Also doch nur ein Souvenir an mein Erlebnis auf der Achterbahn.
Nach dem Essen setze ich mich
in meinen Wagen mit dem zerbeulten Kotflügel und fahre in die Rue
Brèche-aux-Loups. Wenn Simone Blanchet heute nicht arbeitet, ist sie vielleicht
zu Hause. Nein, sie ist nicht zu Hause. Typisch Simone! Egal. Wenn nicht
Simone, dann eben Christine. Also, es gibt Jahre, da hab ich Frauen in rauhen
Mengen. Kommt auf den Jahrgang an. Wie beim Wein.
In der Avenue de Saint-Mandé
öffnet mir Christine. Noch nicht wieder unterwegs. Sehr schön. Ich werde noch
glauben, daß die Frauen mir zuhören und meinen Rat befolgen. Ich seh sie an. In
ihren Augen steht noch etwas Angst, aber es ist schon weniger geworden.
„Ich war hier in der Gegend“,
erkläre ich meinen Besuch. „Hab ‘n Stündchen Zeit, und da dachte ich...“
„Das ist sehr nett von Ihnen.“
Sie führt mich in den Salon.
Ihre Mutter arbeitet trübsinnig an einer Art Wandteppich. Ich drücke der
Penelope meinen Respekt aus, erkundige mich nach der Gesundheit ihres Gatten
(was völlig überflüssig ist; außerdem ist mir seine Gesundheit scheißegal).
Danke, es geht ihm sehr gut. Nein, er ist nicht zu Hause. Er ist in seinem
Weinlager in Bercy. Schön, schön. Nachdem der ganze Quatsch ausgetauscht ist,
bitte ich Madame Mon-tolieu um die Erlaubnis, Christine mit auf eine
Spazierfahrt zu nehmen, falls ihre Tochter will. Würde mich sehr wundern, wenn
sie nicht will. Wo sie doch so gerne was unternimmt... Christine ist
begeistert.
„Wo möchten Sie hin?“ frag ich,
als wir im Wagen sitzen. „Oder wissen Sie’s wieder nicht so genau?“
Sie lächelt:
„In den Zoo.“
Gut. Ab in den Zoo. Das
erinnert mich an Bébert. Der kürzeste Weg wär über den Boulevard Soult. Aber
ich möchte nicht, daß sie zu nah an seinem Waggon, ihrer Fluchtburg,
vorbeikommt. Ich nehme also einen Umweg zur Porte Dorée.
„Hat Ihre Mutter gestern abend gemerkt, daß Sie weg waren?“
„Nein. Hat alles gut geklappt.“
„Und Ihr Stiefvater?“
„Der ist lange nach mir
gekommen. Hab ihn gehört.“
„Ich hab ihm heute mittag am Telefon vorgeschlagen, Sie für ‘ne Zeit
wegzuschicken...“
„Ich weiß. Er hat beim Essen
davon gesprochen. Wahrscheinlich werde ich bald in den Süden fahren, zu
Verwandten von Papa.“
„Sehr gut.“
* * *
Und jetzt stehen wir hier und versuchen,
ein Stückchen Brot in den klebrigen Rüssel eines Elefanten zu schieben. Wir
lachen vor einem Affenkäfig um die Wette. Die Affenhorde balgt sich um einen
alten Büstenhalter, den ein Spaßvogel ihnen zugeworfen hat.
Nach diesem Schauspiel setzen
wir uns ins Bistro im Zoogebäude. Vor uns schreitet langsam und majestätisch
das Kamel entlang. Oben drauf ‘n Haufen Kinder, denen die Sache nicht ganz
geheuer ist.
„Christine!“ sage ich. „Königin
Christine! Hab mich gestern abend gefragt, ob Sie
nicht dummes Zeug redeten. ,In fünf Wochen werde ich
herrschen.’ Und in welchem Ton! Aber ich glaube, jetzt hab ich’s verstanden. In
fünf Wochen sind Sie volljährig und... Sie werden doch bestimmt die Leitung des
Geschäfts übernehmen, nicht wahr?“
„Ja. Das steht im Testament von
Papa. Die Weinhandlung gehört mir. Mit 21 werd ich Inhaberin.“
„Und was wird aus Ihrem
Stiefvater? Sie mögen ihn nicht. Werden Sie ihn bei Ihrer Thronbesteigung
abservieren?“
Ihre Augen verengen sich.
„Lust hätte ich schon. Aber ich
glaub nicht, daß das so einfach geht. Wenn ich ihm seinen Anteil nicht abkaufe
— ich weiß nicht, ob das möglich ist — , bleibt er
mein Kompagnon. Aber er wird nicht mehr das Sagen haben.“
„Sondern Sie.“
„Ich oder jemand anders, der
meine Anweisungen befolgt. Ein Bevollmächtigter oder so. Und ich werde jemanden
aussuchen, der nur tut, was ich ihm sage. Mein
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