No & ich: Roman (German Edition)
oder zwei Mal im Monat, wenn der Kühlschrank leer ist, einen Scheck aus. Die Putzfrau kommt einmal die Woche und fragt ihn besorgt, ob er auch ordentlich esse.
Ich erkläre ihm die Lage in zwei Sätzen, es muss jetzt schnell gehen, auch wenn ich stottere, auch wenn ich rote Flecken am Hals habe, ich darf keine Zeit verlieren. Und jetzt verstehe ich, warum ich ihn gefragt habe, ihn und nur ihn. Er wirft einen Blick auf No und sagt: Kommt mit, Mädels.
Sie lässt sich nicht lange bitten und geht mit. Als wir in Lucas’ Wohnung ankommen, erbricht sie sich auf der Toilette, sie habe Medikamente genommen, sagt sie, was für welche, wage ich nicht zu fragen. Lucas holt aus einem Schrank ein tadellos gebügeltes und gefaltetes Badetuch, wie man sie aus diesen Weichspüler-Werbespots kennt, in denen ein idiotischer Teddybär aus seinem Leben erzählt, wahrscheinlich hat sie schon lange kein so flauschiges Handtuch mehr gesehen, sie protestiert nicht, als ich sie in den Flur schiebe, ich lasse die Badewanne volllaufen, es geht immer noch alles so schnell in meinem Kopf, ein perfekter Ablauf, den Entscheidungen folgen die Taten, ich rufe meine Mutter an und sage ihr, No und ich würden in einer Stunde kommen, ich frage Lucas, ob er in den Schränken seiner Mutter etwas Passendes für No finden könne. Er steckt sich eine Zigarette an, imitiert eine Gangster-Visage und macht eine Handbewegung, die bedeutet: Ich kümmer mich drum. Die Wanne ist voll. Ich helfe No beim Ausziehen, ich atme durch den Mund wegen des Geruchs, ich sehe zu, wie sie ins heiße Wasser steigt, sie hat einen Knabenkörper, schmale Hüften, magere Arme, winzige Brüste, ihre Haare treiben wie braune Algen, auf dem Rücken und unter ihrer Brust sind die Rippen zu erahnen, die Wärme des Badewassers lässt Farbe in ihre Wangen steigen, ihre Haut ist so zart, dass man die Adern sehen kann. Ich bleibe bei ihr, weil ich Angst habe, sie könnte ertrinken. Ich nehme einen Waschlappen und wasche ihr mit viel Seife die Schultern, den Hals, die Beine und die Füße, ich bitte sie aufzustehen, sich wieder zu setzen, mir einen Fuß zu geben, dann den anderen, sie gehorcht ohne ein Wort. Ich halte ihr den Waschlappen für den noch zu waschenden Rest hin und drehe mich um, ich höre, wie sie noch einmal aufsteht und dann wieder ins Wasser eintaucht. Ich gebe ihr das große Badetuch, sie stützt sich auf mich, als sie aus der Wanne klettert. Zwischen den Seifenresten auf der Wasseroberfläche schwimmen unzählige Schmutzpartikelchen.
Lucas hat die Kleidungsstücke auf seinem Bett bereitgelegt. Er hat sich verdrückt und sitzt jetzt vor dem Fernseher. Ich helfe No beim Anziehen und gehe dann ins Bad zurück, um die Badewanne mit Meister Proper Tannennadel zu putzen, wir haben das gleiche zu Hause, es blitzt und funkelt fast so wie auf dem Etikett. Jeans und Pulli passen ihr perfekt, ich frage mich, wie eine so winzige Frau einen so großen Kerl wie Lucas zur Welt bringen konnte, er bietet uns etwas zu trinken an, er wagt es nicht, No anzublicken. Ich danke ihm für seine Hilfe. Wir müssen los. Ich weiß nicht, was sie geschluckt hat, sie ist da, ohne da zu sein, sie protestiert immer noch nicht, als ich ihr erkläre, dass wir jetzt zu mir nach Hause gehen, meine Eltern seien einverstanden und erwarteten uns. Sie sieht mich einige Sekunden an, als brauche die Information so lange, um bis in ihr Gehirn vorzudringen, dann folgt sie mir. Während wir auf den Aufzug warten, dreht sie sich zu Lucas um und dankt ihm, kommt wieder, wann immer ihr wollt, sagt er. Ich ziehe Nos Koffer über die Straße, die Rollen funktionieren nicht mehr, es macht einen Heidenlärm, doch das ist mir egal.
Wir laufen bis zu unserem Haus, unten im Eingang sehe ich sie ein letztes Mal an, die Farbe ist wieder aus den Wangen gewichen, ihr Haar ist noch feucht.
Ich klingele, bevor ich die Wohnungstür aufschließe. Ich weiß, ich kann sie jederzeit verlieren.
M ein Vater und meine Mutter kamen aus der Küche, um uns in Empfang zu nehmen, ich machte sie miteinander bekannt, meine Zehen hatten sich in den Schuhen völlig verkrampft. Mein Vater zögerte kurz, fast hätte er ihr die Hand geschüttelt, dann trat er näher, um sie auf die Wange zu küssen, No wich zurück, sie versuchte zu lächeln, aber man sah deutlich, dass es schwierig war.
Wir aßen alle vier zu Abend, meine Mutter hatte ein Zucchinigratin gemacht, zum ersten Mal seit langer Zeit saß sie nicht im Morgenmantel da, sie hatte
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