Noah: Thriller (German Edition)
wegen des Videos gesucht. Mit fortschreitender Zeit wurde es außerdem immer unwichtiger. Der Präsident mag vielleicht noch daran interessiert sein, dich zu töten, um seine Mitwisserschaft und sein Versagen bei der Gefahrenabwehr zu vertuschen, obwohl mir zu Ohren kam, dass die Agenten bereits abgezogen und dafür die Aktenvernichter angeworfen wurden. Und auch für mich macht das Video jetzt keinen Unterschied mehr. Selbst wenn du es hast, wirst du es nicht mehr gegen mich verwenden können.«
»Weil du mich tötest?«
Noah sah zu Altmann, der schon lange nichts mehr gesagt hatte. Offenbar war der Agent wieder eingeschlafen. Er döste mit offenem Mund und geschlossenen Augen, den Kopf in den Nacken gelegt, am Heizkörper. Ein dünner roter Speichelfaden lief ihm das Kinn herab.
»Hätte ich deinen Tod gewollt, würden wir hier nicht miteinander reden.«
Noah nickte. Er musste an den Mann im Adlon denken, der nicht in den Whirlpool feuerte, als er die Gelegenheit dazu hatte. An die Killer im Elektronikmarkt, denen er entkommen war, genauso wie den Schergen in Amsterdam. All das war erst Stunden her und, wenn Zaphire recht hatte, nur deshalb noch nicht von der Tafel seines Langzeitgedächtnisses gelöscht.
»Weshalb dann der ganze Aufwand? Wieso lockst du mich erst ins Adlon, dann nach Amsterdam und jetzt hierher?«
»Um mich von dir verabschieden zu können, John.«
»Blödsinn.«
»Hätte ich in Amsterdam eine Landeerlaubnis erhalten, wäre ich schon zum Bungalow gekommen.«
»Wer war der alte Mann dort?«
Zaphire machte eine abfällige Handbewegung, als wäre diese Person keiner Erwähnung wert. »Davids Mentor. Er spielt keine Rolle. Ihr kanntet euch nicht, nur dein Bruder hatte mit ihm zu tun. Ihn solltest du dort nicht treffen, sondern mich. Da das aber nun mal nicht geklappt hat, musste ich mit Kilian Brahms improvisieren, damit wir uns in Rom sehen konnten, bevor es zu spät ist.«
Schon wieder sah Zaphire auf die Uhr, viel länger als nötig. Selbst als er weiterredete, lösten seine Augen sich nicht vom Ziffernblatt.
»Ich habe nicht mehr viel Zeit, mein Junge. Und damit meine ich nicht die Mitternachtsaudienz beim Papst, zu der ich mich verspäte. Ich habe heute Nachmittag bei der Landung in Rom ZetFlu genommen.«
»Was sagst du da?«
Zaphire sah auf. »Ich bin jetzt infiziert. Die ersten Symptome werden sich in wenigen Stunden zeigen. Deshalb trage ich keinen Schutzanzug mehr.«
Noah suchte nach Anzeichen des Irrsinns in seinem Gesicht, speziell in den Augen, wurde aber nicht fündig. Es gab keinen Zweifel. Der Mann, der vermutlich sein Vater war, glaubte so fest an seine Überzeugungen, dass er bereit war, für diese zu sterben.
»Glaubst du, ich predige Wasser und trinke Champagner? Auch Cezet wird ihren Anzug ausziehen, sobald Stufe drei ein irreversibles Stadium erreicht hat und ihre Dienste nicht mehr benötigt werden. Dann lassen wir die Natur entscheiden, ob wir am Leben bleiben oder nicht.«
Er seufzte.
»Das hier ist unser letztes Gespräch, John. Deshalb habe ich alle deine Fragen beantwortet, auch wenn du alles bald wieder vergessen wirst. Nenn mich sentimental, verdammt. Ich war es schon einmal, als ich ein kleines Mädchen, das heute deine Stiefschwester ist, vor dem sicheren Tod rettete. Und jetzt wollte ich es mir nicht nehmen lassen, ein letztes Mal mit dir zu reden. Von Vater zu Sohn.«
Zaphire streckte eine Hand aus, aber Noah wich zurück.
»Hab keine Angst. Nicht mehr. Bitte.« Seine Augen glänzten. Zu seinem Widerwillen konnte Noah das Verlangen des alten Mannes, ihn in die Arme zu schließen, darin erkennen.
»Ich will ehrlich zu dir sein, John. Ich hätte dich getötet, wenn du wüsstest, wo das Video ist. Ich hätte nicht zugelassen, dass du das Projekt Noah in letzter Sekunde noch stoppst. Kein einzelnes Leben ist wichtiger als das Überleben der Erde.«
»Vielleicht habe ich es ja doch?«
»Das würde ich wissen. Ich würde es sehen. Du weißt, wovon ich rede. Auch du kannst Gut von Böse unterscheiden, die Lüge von der Wahrhaftigkeit trennen, wenn sie vor dir steht. Diese Eigenschaft hast du von mir geerbt.«
Noah sah zur Seite, als könnte er sich von der Wahrheit abwenden, die in Zaphires Worten lag.
»Du stirbst umsonst«, sagte er beinahe trotzig. »Der Präsident hat die Menschen bereits informiert. Es gibt keine Manila-Grippe.«
»Und du glaubst, sie hören auf ihn?«
Noah nickte. »Es mag Aufständische geben. Aber die Mehrheit wird die
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