Noah: Thriller (German Edition)
Kopfende des Zimmers. Der Notausgang entließ ihn direkt auf eine der Hauptadern der Shopping Mall des Europa-Centers, in die der Elektronikmarkt integriert war.
Bis hierhin schien sich der vermeintliche Amoklauf im Elektronikmarkt noch nicht herumgesprochen zu haben. Noah konnte sich einer Traube von Menschen anschließen, die in den letzten Minuten des Tages noch auf Schnäppchenjagd waren, und ließ sich Richtung Rolltreppe treiben.
Unten angekommen, verließ er das Europacenter über den Ausgang Gedächtniskirche, vor dem mehrere Mannschaftswagen mit stumm rotierendem Blaulicht ein lautloses Feuerwerk inszenierten. Ein Gafferstau verhinderte jede sinnvolle Personenkontrolle. Noah drückte sich seitlich aus dem Pulk an einer Hundestaffel vorbei und passierte gerade einen sich kugelartig auftürmenden Springbrunnen, als er seinen Namen rufen hörte.
Fast hätte er seine Waffe gezogen, wenn er nicht in letzter Sekunde Oscar erkannt hätte, der im Halbdunkel neben dem Springbrunnen unter einem Eingangsschild einer öffentlichen Toilette stand.
»Hier entlang«, befahl er, drehte sich um und war in der nächsten Sekunde wie vom Erdboden verschluckt.
Noah schloss zu dem Springbrunnen auf (wie hatte Oscar ihn einmal genannt? Wasserklops?) und sah nur noch Oscars Rücken, als er die Treppe erreicht hatte, die zu den Toiletten führte. Mangels einer sinnvollen Alternative stieg er ebenfalls die steilen Metallstufen hinab, folgte Oscars Rufen und fand sich in einem nach Urin und Desinfektionsmitteln stinkenden, weiß gefliesten Pissoir wieder. Zwei von drei Stehklos waren mit einer über das Becken gespannten Plastiktüte außer Betrieb gesetzt, vor dem einzig funktionierenden Urinal stand ein alter Mann mit Plastiktüte und spuckte in seinen Strahl.
»Los, schnell, mach schon.« Oscar ging keuchend, den Koffer mit beiden Händen haltend, zu den Toilettenkabinen und öffnete diejenige, die am weitesten vom Eingang entfernt lag. Er wartete, bis der Mann gegangen war, und öffnete die Kabine.
»Hilf mir mal«, sagte er zu Noah und deutete auf eine Metallplatte, die direkt vor dem Klo einen halben Quadratmeter des Fußbodens bedeckte.
»Was ist das?«
»Unser Noteingang.«
Oscar griff nach einem Klappgriff und zog mit schmerzverzerrtem Gesicht die Metallplatte einige Zentimeter nach oben, gerade so weit, um den Bauarbeiterstiefel an seinem rechten Fuß darunterklemmen zu können.
Noah stellte sich auf die andere Seite, bückte sich und riss die Platte mit einiger Mühe nach oben. Brackwassergestank füllte jeden Zentimeter der Klokabine.
»Danke.«
Oscar wischte sich den Schweiß von der Stirn und deutete in das freigelegte dunkle Loch.
»Normalerweise habe ich eine Taschenlampe bei mir, wenn ich über den Südstrang einsteige. Aber ich fürchte, heute müssen wir improvisieren.«
Er bat Noah, die Toilettenkabine von innen zu verriegeln. Er nahm den Koffer und warf ihn in den Schacht. Es dauerte eine Weile, bis man einen dumpfen, feuchten Aufprall hörte.
Dann setzte er sich an den Rand des Lochs, griff eine von drei sichtbaren Metallstreben, schwang seinen kegelförmigen Körper mit ungeahnter Geschicklichkeit über die jaucheatmende Öffnung und verschwand in dem Schacht.
Fast im selben Moment hörte Noah die Stimmen.
Einige Männer hatten die öffentliche Toilette betreten.
Dann mal los, flüsterte er in Gedanken und prüfte rasch, ob der Rucksack noch immer gut verschlossen war, damit er sich beim Abstieg in die Dunkelheit nicht versehentlich öffnete, dabei entdeckte er den an der Seite aufgerissenen Stoff.
Ein Streifschuss?
Die Stimmen wurden lauter, eine Kabinentür schlug.
Noah setzte sich, griff nach der obersten Strebe.
Er hielt es für unwahrscheinlich, dass es Polizisten waren, die ihm auf der Spur waren, hatte aber keine Zeit, es herauszufinden.
Ebenso wenig wie ihm die Zeit blieb, um sich zu vergewissern, weshalb sich Toto schon seit längerer Zeit nicht mehr im Rucksack bewegt hatte.
28. Kapitel
Die Frau, die wortlos den Geheimraum, in dem man sie festhielt, betreten hatte, erinnerte Celine auf den ersten Blick an Amber, ihre beste Freundin auf der Highschool. So unzweifelhaft attraktiv, dass man in ihrer Nähe ein Gefühl entwickelte, dem Celine in ihrer Jugend den Namen Komplexstolz gegeben hatte: im direkten Vergleich (der auf Pausenhöfen und Schulpartys unablässig angestellt wird) fühlte man sich neben Amber hässlich und minderwertig. Aber gleichzeitig kompensierte man
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