Noah: Thriller (German Edition)
Zeit, einen Gedanken daran zu verschwenden.
»Was haben Sie heute gegessen?«
»Ein Knäckebrot.«
»Was sonst?«
»Nichts.«
»Es ist jetzt früher Abend in New York, noch eine Lüge, und ich lege auf.«
Celine starrte das Telefon auf dem Tisch an und presste sich beide Hände auf den Bauch. »Ich krieg morgens nichts runter.«
»Sind Sie krank?«
»Im Gegenteil. Ich bin schwanger.«
»Welche Medikamente nehmen Sie?«
»Folsäure und Vomex.«
»Erstes oder zweites Trimester?«
»Erstes.«
»Junge oder Mädchen?«
»Dafür ist es noch zu früh.«
Die dritte Pause, aber diesmal fühlte sie sich weniger bedrohlich an. Eher wie nach dem Erreichen eines Etappenziels.
Hab ich die Prüfung bestanden?
Dafür sprach, dass Noahs Sprachrhythmus sich verändert hatte und die Fragen jetzt etwas ruhiger kamen. »Wie heißt Ihr Mann?«
»Ich bin unverheiratet.«
»Der Vater?«
»Steven Dillon, er ist Anwalt.«
»Wird er auch bedroht?«
»Nein, das heißt …« Sie sah Amber verneinend den Kopf schütteln und ergänzte dann: »Ich denke nicht, wir haben keinen Kontakt.«
Noah stellte noch einige weitere, meist persönliche Fragen, aber erst nach der letzten hatte Celine das Gefühl, den Test bestanden zu haben.
»Das erste Wort, das Ihnen in den Sinn kommt, wenn Sie an die Frau denken, die Sie bedroht.«
»Schlampe«, antwortete Celine und sah Amber direkt ins Gesicht, die mit einem Mal nicht mehr besonders amüsiert wirkte.
»Geben Sie sie mir!«, forderte Noah.
34. Kapitel
Über sechstausend Kilometer entfernt wurde das Telefon auf laut gestellt.
»Hallo, Noah«, hörte er eine angenehm volle, sinnliche Stimme, fast einen Tick zu männlich. Sie sprach aus einiger Entfernung. Vermutlich lag das Telefon zwischen den beiden auf einem Tisch.
»Schön, Sie zu sprechen«, sagte die Frau, die angeblich eine unbeteiligte Reporterin opfern wollte, wenn sie nicht bekam, was sie verlangte. Noah beunruhigte weniger die Skrupellosigkeit als vielmehr die Tatsache, dass die Erpresserin es mit dieser psychologischen Kriegsführung überhaupt probierte. Letzteres bewies, wie überzeugt sie war, damit Erfolg zu haben, was nichts anderes bedeutete, als dass sie ihn vielleicht sogar besser kannte als er sich selbst. Sie wusste von seinen Fähigkeiten, eine Lüge zu erkennen. Und sie kannte ganz offensichtlich seine Schwächen, denn in der Tat machte die Todesangst, die er aus den ehrlichen Antworten der Schwangeren herausgehört hatte, es schwer, die Forderungen der Erpresserin zu ignorieren.
»Wer sind Sie, und was wollen Sie von mir?«, fragte er.
»Ich bin die Rückseite der Quizkarte. Die Antwort. Ich kann Ihnen erklären, in was für einen Schlamassel Sie ungewollt hineingeraten sind, Noah. Deshalb will ich Sie treffen.«
Ja. Wahrscheinlich.
Er stand auf und fixierte ein graues Rohr an der Decke, aus dem Oscar seine Wasserversorgung bezog. »Hören Sie gut zu. Ich habe in den letzten Stunden viel über mich gelernt. Unter anderem, dass ich über eine gesunde Menschenkenntnis verfüge.«
»Ich weiß.«
»Ich sehe, wenn das Böse vor mir steht. Und ich höre, wenn mich jemand anlügt. Daher weiß ich, dass Celine bedroht wird, wohingegen Sie gerade mit falschen Karten spielen.«
»In Bezug worauf?«
»Sie werden sie und mich nicht am Leben lassen, egal was ich mache.«
»Tja, wenn Sie das so sehen«, die Erpresserin seufzte gelangweilt, »haben wir schon nach wenigen Minuten einen Zustand erreicht, für den ich mit meinem Exmann ein halbes Jahr brauchte: Wir haben uns nichts mehr zu sagen.«
»Oh, Mrs. Supercool versucht mich zu verunsichern.«
»Nein, Mrs. Ich-sitz-am-längeren-Hebel will nicht, dass noch weitere ihrer Leute getötet werden. Nicht, dass ich besonders feinfühlig wäre, aber ich ziehe eine saubere Lösung immer der dreckigen vor. Sie haben also die Wahl: Entweder Sie spielen noch eine Weile die Ein-Mann-Armee, bevor Sie schließlich doch gestellt werden, oder wir kürzen die Sache ab, und Sie ergeben sich gleich jetzt.«
Noah kicherte, was ihm einen verstörten Blick von Oscar einbrachte. »Glauben Sie ernsthaft, ich begebe mich in die Höhle des Löwen, ohne zu wissen, worum es überhaupt geht?«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen reinen Wein einschenken, Noah, zum Beispiel, indem ich Ihnen sage, wie Sie wirklich heißen, aber das geht leider nicht.«
»Weshalb?«
»Weil Sie dann etwas sehr, sehr Dummes tun würden.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
Der nächste Zug
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