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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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seines vorsorglich gepackten Fallschirms zu ziehen, an dem er dann ruhig und sicher zu Boden schwebte, während die Medienwelt barst. Und doch wusste er, warum er nicht aufgab. Die Antwort hatte ein verehrter alter Korrespondent von SVT gegeben, der über alle bewaffneten Konflikte von Vietnam bis Irak berichtete:
Es ist niemals schwer, aufzustehen, wenn Krieg ist. Aber in Friedenszeiten möchte man sich einfach hinlegen und sterben.
    Um ihn herum herrschte nun Krieg an allen Fronten: ein neuer Krieg gegen die dummdreisten Ideen der Inhaberfamilie, der niemals endende Krieg gegen den
Konkurrenten,
der zukünftige gegen technische Fehlentscheidungen und schlechte Verhandlungsbedingungen.
    Seine Frau wartete auf ihn. Er sollte nach Hause fahren.
    Er seufzte.
    Sie sah ihn lieber spät, nach geschlagener Schlacht, als früh und mit der tickenden Bombe in der Tasche. Aus diesem Grund ging er ans Telefon, als es klingelte, obwohl er eigentlich schon hätte unterwegs sein sollen.
    »Ich habe es wieder getan.«
    Es war Unglücks-Bengtzon.
    Er versank tief in seinem Stuhl und legte die Füße auf den Tisch.
    »Ja«, sagte er, »habe ich gesehen. Das Kätzchen, was ist das für ein Deckname? Wie lange haben Sie auf dieser Geschichte gesessen?«
    »Ich rede nicht von
The Kitten.
Ich bin auf eine Leiche getreten, aber dieses Mal halte ich die Klappe nicht.«
    Er blinzelte ein paarmal ins Licht der Deckenlampe.
    »Wie bitte?«, fragte er.
    »Der Professor, der im Mordfall Ernst Ericsson vernommen worden ist, ist tot.«
    »Wer?«, fragte Schyman.
    »Noch ein Professor vom Karolinska-Institut. Ich habe ihn gefunden. Er war in seiner eigenen Sauna an die Wand genagelt, ein zwölf Zentimeter langer Nagel durchs Auge und einer durch den Kehlkopf.«
    Er starrte in die Lampe, bis die Augen brannten. Lichtflecken tanzten hinter seinen Lidern. Eine Welle der Übelkeit stieg in ihm hoch und hinterließ weit hinten in der Speiseröhre einen bitteren Geschmack.
    »Festgenagelt …?«
    »Er war bereits tot, als er festgenagelt wurde. Erdrosselt. Ernst Ericssons Leiche ist auf die gleiche Art geschändet worden.«
    Sie klang völlig überspannt.
    »Ich kann nicht selbst darüber schreiben«, sagte sie, »höchstens eine allgemeine Betrachtung. Die Eilmeldung muss jemand anders machen.«
    »Dürfen Sie überhaupt darüber sprechen? Wollten die Ihnen nicht wieder ein Redeverbot erteilen?«
    »Klar wollten sie das, aber ich habe mich geweigert. Ich habe wirklich lange genug geschwiegen. Jemand, der die Tragweite eines Redeverbots kennt, muss mich interviewen, und dann ist es Ihre Sache, zu entscheiden, ob wir die Story bringen. Ist Berit oder Patrik da?«
    »Die sind rund um die Uhr mit der Abschiebungssache in Bromma beschäftigt. Die muss morgen raus.«
    »Gibt es jemand anderen, der begreift, wogegen wir verstoßen?«
    Er stützte die Stirn in die Hände.
    »Jansson, aber der macht die Schlussredaktion.«
    Sie schwieg.
    »Ach«, sagte sie schließlich. »Ich soll also einfach nach Hause fahren und auf den ganzen Kram scheißen?«
    »Ich«, sagte er. »Ich kann schreiben. Kommen Sie in die Redaktion, dann mache ich das Interview.«
    Sie wurde still.
    »
Byline Anders Schyman?
«
,
fragte sie skeptisch.
    »Glauben Sie, ich hätte noch nie eine Eilmeldung geschrieben?«

Mittwoch, 2. Juni
    Als der Wecker klingelte, dachte Annika, sie müsse sterben. Ihr Körper schmerzte vor Müdigkeit und fühlte sich an, als habe sie seit mehreren Jahren nicht geschlafen. Mit einem Stöhnen rollte sie auf den Rücken und schielte vorsichtig zur anderen Seite des Bettes hinüber. Dort lag ein Mensch und verströmte Wärme, aber es war nicht Thomas, sondern Ellen. Ihr zerzaustes Haar lag wie ein Nest auf dem weißen Kissen. Annika kroch unter der Decke hervor. Die Wimpern des Mädchens flatterten unruhig, es träumte.
    Mein Liebling, dachte sie und streichelte ihrer Tochter vorsichtig über den Kopf.
    Sie legte sich auf den Rücken und lauschte intensiv auf Geräusche aus der Küche. Kein plätscherndes Wasser. Kein Zeitungsgeraschel. Kein Geschirrgeklapper.
    Hoffentlich, hoffentlich ist er schon weg, dachte sie. Dann wäre es ihr gelungen, die Konfrontation noch einmal ein bisschen zu verschieben.
    Sie hatte sich den ganzen Abend nicht gemeldet, Thomas hatte seinerseits auch nicht versucht, sie zu erreichen. Als sie nach Hause kam, schlief er bereits, und sie kroch neben ihm und Ellen ins Bett, ohne dass er aufwachte.
    Und nun war er gefahren, ohne sie zu

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