Noch ein Kuss
über Peters Eingeständnis hinwegzutrösten und auch über das, was sie zusätzlich als Mikes Verrat empfand, schlang sie die Arme um sich. »Was für ein großartiger Zeitpunkt für ein Familientreffen«, murmelte sie.
»Okay, was zum Teufel geht hier vor?«, fragte Mike, während sein Blick zwischen Carly und Pete hin- und hersprang.
Doch Carly hatte nicht die Absicht, dem Mann, der es nicht für nötig gehalten hatte, ihr die Wahrheit zu sagen, irgendetwas zu erklären. Selbst als Mike alle Gründe aufgezählt hatte, warum sie Peter nicht heiraten sollte, hatte er den wichtigsten für sich behalten.
»Frag deinen untreuen Bruder.« Plötzlich erschöpft lehnte Carly sich wieder an die Wand. »Ich kümmere mich darum, den Gästen und dem Partyservice abzusagen und die Geschenke zurückzuschicken.«
Sie hatte den Eindruck, in dem kleinen Büro zu ersticken. Ohne auf Mikes fragenden Blick zu achten, ging sie um ihn herum. Sie war schon an der Tür, als sie plötzlich abrupt stehenblieb und sich noch einmal zu Peter umwandte. Er wirkte angeschlagen, aber im Moment konnte sie kein Mitgefühl für ihn aufbringen. Genauso wenig wie sie es fertigbrachte, ihn wegen seiner Teilhaberschaft zu beruhigen. Ehe sie von seiner Affäre erfahren hatte, hatte sie sich vorgenommen, dass ihre Entscheidung keinen Einfluss darauf haben sollte, wie ihr Vater Peter beurteilte.
»Ehe ich es vergesse.«
»Ja?«, fragte Peter argwöhnisch.
»Hier.« Carly zog ihren Verlobungsring vom Finger und drückte ihn Peter in die Hand, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und stürmte aus dem Zimmer.
Mike wollte ihr hinterherlaufen, doch Peter hielt ihn am Arm fest und riss ihn so heftig zurück, dass er sich um die eigene Achse drehte und sich Auge in Auge mit seinem Bruder wiederfand.
»Was ist?«, fragte er. Er wollte keine Zeit verlieren, indem er sich mit Pete herumstritt.
»Die Wahrheit. Hast du es ihr gesagt?« Das war das erste Mal, dass Mike seinen stets beherrschten Bruder derart aufgewühlt sah.
Doch auch wenn er ihn gern bemitleidet hätte, galt sein ganzes Mitgefühl Carly. »Ich wünschte, ich hätte so viel Schneid gehabt. Es ihr nicht gesagt zu haben, ist nun etwas, womit ich leben muss.« Er betete, dass es noch nicht zu spät war. »Offenbar ist Carly cleverer, als du gedacht hast.«
Peter stöhnte und stützte sich auf den Türgriff. »Nein, ich bin bloß ein verdammter Idiot.«
Mike schüttelte den Kopf. »Wann wirst du es endlich begreifen, Pete? Alles hat seinen Preis.«
Aber er musste unbedingt mit Carly sprechen, und wenn die Aufzüge nicht schneckenlangsam waren, hatte sie so viel Vorsprung, dass sie bereits in der Menschenmenge draußen untergetaucht sein konnte. Als Mike auf die Straße hinaustrat, hatten die Wolken, die schon länger bedrohlich tief hingen, ihre Schleusen geöffnet. Bei diesem Wetter war es verdammt schwer, wenn nicht sogar unmöglich, ein freies Taxi zu finden.
Ein Blick nach rechts ließ ihn erleichtert aufatmen. Carly stand an der Ecke und winkte gerade eines heran. Mike rannte los und erreichte den Wagen genau in dem Augenblick, als sie die Autotür zuschlug. Er klopfte an die Scheibe und rief ihren Namen.
Carly ließ das Fenster herunter. »Geh weg.« Ihr Gesicht war pitschnass, doch es war unmöglich zu sehen, ob Tränen oder Regentropfen daran schuld waren.
»Oh nein.« Mike öffnete die Tür.
Sofort zog Carly sie wieder zu.
»Hab doch Mitleid, Carly. Ich werde ja ganz nass.«
Sie starrte durch das halb geöffnete Fenster. »Ich soll Mitleid haben? Machst du Witze?« Wütend schlug Carly auf die Fensterleiste.
Schnell riss Mike die Autotür auf, ehe Carly sie verriegeln konnte. Diesmal war er auf ihren Widerstand gefasst. Gegen seine Kraft konnte sie nicht ankommen und so flog die Tür schnell weit auf.
Ohne auf Carlys mordlüsternen Blick zu achten, warf Mike sich klatschnass auf die Rückbank und zwang sie, Platz zu machen, um nicht zerdrückt zu werden. Hastig rutschte Carly zur Seite.
»Kluges Mädchen«, sagte Mike, während er die Tür hinter sich zuzog.
Eisige Stille empfing ihn.
Mike beugte sich vor und sprach mit dem Fahrer. »Zweiundsiebzigste und Zweite.«
»Warten Sie.« Carly tippte dem Mann auf die Schulter, und er drehte sich zu ihr um.
»Der kommt nicht mit«, sagte Carly mit einer wegwerfenden Handbewegung in Mikes Richtung.
»Das werden wir ja sehen.«
Der schon etwas ältere Taxifahrer grinste breit. »Mir ist es völlig egal, wohin wir fahren oder
Weitere Kostenlose Bücher