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Noch ein Kuss

Noch ein Kuss

Titel: Noch ein Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carly Phillips
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auszustrahlen versuchte.
    »Erzähl es mir«, drängte Mike.
    Es blieb eine Weile still, dann gab Carly sich schließlich einen Ruck. »Weißt du noch, wie man sich als Kind gefühlt hat?«, fragte sie. »Als das Leben noch ein einziges großes Abenteuer war?«
    »Nachdem meine Eltern gestorben waren, sind wir schnell in der Realität angekommen. Kannst du dich denn noch gut an die Zeit erinnern?«
    »Oh ja. Gerade waren wir noch eine glückliche Familie ohne nennenswerte Probleme gewesen, jedenfalls soweit ich wusste; und am nächsten Tag waren wir auf der Titelseite der Zeitung. Der Skandal des Jahres.« Carly rupfte den halbgaren Schinken aus der Pfanne und stapelte ihn neben den Pfannkuchen. Mike sah keine Veranlassung, sie auf ihre Voreiligkeit hinzuweisen. »Frühstück ist fertig.« Carly machte eine spöttische Verbeugung und stellte einen Teller vor ihn hin.
    »Danke.«
    Sie lächelte. »Gern geschehen. Und weil ich dich mag, will ich mal nicht so sein.« Sie öffnete den Kühlschrank und nahm eine große Karaffe heraus. »Frisch gepresster Orangensaft. Sag bloß nicht, dass ich nicht nett zu dir bin.«
    »Wer? Ich?«, fragte Mike. »Niemals.«
    Er wartete bis Carly auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen hatte, ehe er weiterfragte.
    »Was war das für ein Skandal?«
    Ihre dunklen Augen bohrten sich in seine, und obwohl sie ihn geradezu flehentlich baten, das Thema fallenzulassen, wollte er sie unbedingt entlasten und sie dazu bringen, ihren Schmerz mit ihm zu teilen. »Nun?«
    »Du hättest Polizist werden sollen«, murmelte sie. »Du gibst wohl nie auf.«
    »Ich bin so etwas wie ein Journalist. Was hast du erwartet?«
    Carly stöhnte und nahm sich die Zeit, einen Bissen zu essen, ehe sie anfing zu reden. »Wir lebten in einer kleinen Stadt im Norden des Staates New York. Jeder kannte jeden und es wurde viel getratscht. Also brach die Hölle los, als Roger Wexler, Bezirksstaatsanwalt mit politischen Ambitionen, in die Schlagzeilen geriet.«
    Carly schnippte sich die Ponyfransen aus den Augen und sah Mike an. Er wartete stumm, bis sie weitersprach. »Möchtest du raten?«, fragte Carly.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Mein Dad hatte über ein Jahr eine Affäre mit seiner Sekretärin gehabt. Bis diese Frau ihn zwingen wollte, zwischen ihr und seiner Familie zu wählen. Politisch gesehen war das eine Wahl zwischen seiner Geliebten und seiner Karriere. Was glaubst du, für wen er sich entschieden hat?« Carly stocherte in ihren Pfannkuchen und starrte abwesend auf den mittlerweile kalt gewordenen Stapel.
    »Für deine Mutter?«, meinte Mike.
    »Ja, aber das macht den Mann nicht zu einem Heiligen. Ich bin sicher, dass seine Entscheidung politisch motiviert war. Und ich schätze, er hat gedacht, damit sei alles erledigt.«
    »Aber das war es nicht.«
    Carly schüttelte den Kopf und sah ihn mit einem gequälten Blick an. »Die Frau hat sich umgebracht, Mike. Aber nicht ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen und ihn an die örtliche Zeitung zu schicken. Sie war schwanger.«
    Mike schnappte nach Luft und wünschte, er hätte Carly niemals gezwungen, diese Erinnerungen wieder auferstehen zu lassen. Aber es war zu spät … »Und was geschah dann?«, fragte er, weil er das Ende der Geschichte erfahren musste.
    »Das Leben ging weiter. Gesellschaftlich war Dad natürlich ruiniert, aber er ließ sich nicht unterkriegen. Einige Zeit später packten wir unsere Koffer und zogen in die Stadt. Dad tat sich mit ein paar alten Studienfreunden zusammen und gründete eine Kanzlei.«
    »Und was war mit dir?«
    »Was soll schon gewesen sein?«
    »Wie hat sich das alles auf dich ausgewirkt?«, fragte Mike.
    »Ich war fünfzehn. Deine Freunde sind nur so lange mit dir befreundet, bis sie etwas finden, womit sie dich hänseln können. In der Schule wurde über mich getuschelt und gelacht. Ich habe mich daran gewöhnt.«
    »Das bezweifle ich.«
    Carly zuckte die Achseln. »Am Ende sind wir umgezogen, und ich machte meinen Abschluss auf einer Privatschule.«
    »Aber wie hast du das alles ausgehalten? Teenager zu sein ist sowieso schon schwer. Und wenn solche Probleme dazukommen … «
    »Ich habe mich beschäftigt. Beim Sorgentelefon für Jugendliche mitgemacht. So musste ich nach der Schule nicht nach Hause, wo jedes Gespräch über unsere familiären Probleme verboten war. Ich konnte nicht zusehen, wie meine Mutter so tat, als sei alles in Ordnung.«
    Bingo, dachte Mike. Carly hatte nicht nur Probleme mit ihrem Vater. Auch

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