Noch ein Kuss
Haarsträhne von ihrer Wange. »Ich habe dir nicht wehtun wollen.« Seine Hand blieb auf ihrer Schulter liegen.
Carly mochte ihren Exbräutigam, und er war nicht der Einzige, der Fehler gemacht hatte. »Ich weiß.«
»Schluss mit der Arbeit, Carly. Zeit für ein wenig Spaß.« Mikes schwere Schritte und sein tiefes Lachen erfüllten das kleine Haus.
Dann wurde es plötzlich still. »Ich hatte keine Ahnung, dass wir Besuch haben.«
»Mike … «
»Ich weiß, dass du mein Bruder bist und dass du mal mit Carly verlobt warst, aber ich würde es begrüßen, wenn du deine Finger von ihr nimmst.« Die kühle Zurückhaltung in Mikes Stimme erschreckte Carly.
Peter gehorchte der Aufforderung und nahm hastig seine Hand von ihrer Schulter. Die prompte Reaktion war sicher auf das plötzliche Auftauchen von Mike zurückzuführen. Carly nutzte die Chance, um sich ein paar Schritte zurückzuziehen.
Peters Blick sprang zwischen seiner Exverlobten und seinem Bruder hin und her. Mike war stehengeblieben und hatte die Arme vor der Brust gekreuzt. Er schien direkt vom Strand zu kommen, denn sein Haar war noch feucht und außer seiner Jeans hatte er nichts an. Er wirkte ruhig und selbstsicher, wie ein Mann, der das Recht hatte, sich in ihrem Haus aufzuhalten.
Die Intimität der Situation konnte Peter nicht entgangen sein. »Oh«, sagte er schließlich. »Wie ich sehe, bin ich hier nicht der Einzige, der jemanden betrogen hat.« Sein Tonfall verriet, wie gekränkt er sich fühlte. »Während ich bei der Arbeit war und dir meine Verlobte anvertraut habe, hast du die Situation ausgenutzt.« Wütend starrte er seinen Bruder an.
»So war es nicht«, widersprach Carly in der Hoffnung, einen nicht wiedergutzumachenden Streit zwischen Mike und Peter zu vermeiden.
»Willst du mir etwa sagen, dass der Anblick täuscht?« Mit schmalen Augen fixierte Peter sie.
»Ja.« Carly sah auf ihre nackten Beine hinunter. »Ich meine, nein.« Verzweifelt warf sie die Hände in die Luft. »Es ist nichts passiert; erst als ich hier war.«
Peter lachte laut. »So dämlich bin ich nun auch wieder nicht. Du hättest mir wenigstens den wirklichen Grund sagen können, wieso du Schluss mit mir gemacht hast.« Er wandte sich an Mike. »Und du … «
Mike ging auf seinen Bruder zu. »Sie sagt die Wahrheit.«
»Und warum sollte ich dir glauben?«
Mike stöhnte.
»Weil er dein Bruder ist«, mischte Carly sich ein. »Und der einzige Blutsverwandte, den du hast.«
»Aus genau diesem Grund hätte er seine Hände bei sich behalten sollen, verdammt nochmal.«
Carly atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Bis Mike auf der Bildfläche erschienen war, hatte sie geglaubt, die verheerenden Auswirkungen der Affäre ihres Vaters hätten sie um die Chance gebracht, eine leidenschaftliche Liebesbeziehung zu haben. Mike hatte sie dann fast eines Besseren belehrt, doch nun stellte sich heraus, dass sie die ganze Zeit recht gehabt hatte.
Sie hatte sich von ihren Gefühlen für Mike überwältigen lassen. Sie waren zu weit gegangen, und wenn deswegen seine Beziehung zu seinem Bruder litt, würde sie es sich nie verzeihen.
»Bitte, redet miteinander«, sagte sie flehentlich, um beide Brüder zu erreichen. »Ihr seid doch eine Familie. Nichts ist wichtiger als das. Schon gar nicht ich.« Mit einem vielsagenden Blick zu Mike verschwand sie nach draußen.
Mike sah ihr nach. Er war froh, dass Carly so viel Vernunft hatte zu gehen, ehe dieses Hemd noch höher rutschte. Dann schlug er seinem Bruder mit einer Hand zwischen die Schulterblätter, während er mit der anderen auf die Stühle am Küchentisch zeigte. »Setz dich.«
Peter musterte ihn böse, ehe er mürrisch erwiderte: »Okay. Entspann dich.«
Mike ließ sich auf einem der Stühle nieder und nutzte die Wartezeit, bis Peter sich ebenfalls gesetzt hatte, um sich innerlich zu sammeln. Es war völlig verständlich, dass sein Bruder wütend und verletzt war und sich hintergangen fühlte.
Mikes absurde Eifersucht beim Anblick von Peters Hand auf Carlys Schulter hatte eine schlimme Situation nur noch schlimmer gemacht. Er sah seinen Bruder an. »Sie hat recht, weißt du das?«
»Womit?«
»Wir sind Brüder«, sagte Mike.
»Das hat dich verdammt nochmal nicht davon abgehalten, sie anzubaggern«, schimpfte Peter.
Mike schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Doch, verdammt nochmal!«
Der Ausbruch wurde mit einem erstaunten Schweigen quittiert. Mike verfluchte seinen Mangel an Takt, denn anscheinend hatte er
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