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Noch Einmal Sollst Du Buessen

Noch Einmal Sollst Du Buessen

Titel: Noch Einmal Sollst Du Buessen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wolken wurden dünner, und durch ihren Filter drang schwaches Mondlicht.
    Jetzt erkannte Marnie die Insel, ein riesiger schwarzer Koloss, der sich wie ein Seeungeheuer aus dem aufgewühlten Meer erhob. Der Karte nach konnten sie nicht weit von Deception Point sein, der Nordspitze von Orcas Island. Marnie kniff die Augen zusammen, aber es war nicht hell genug, um die felsigen Kliffs zu erkennen. Keine Lichter leiteten sie in einen Hafen, aber das sollte für sie kein Problem sein.
    Sie drosselte den Motor und manövrierte das Boot auf das Land zu. Nicht zu nah heran, sonst würden sie auf Grund laufen. Und nicht zu weit entfernt, damit sie sich nicht im Schlauchboot durch die Wellen zum Ufer kämpfen mussten.
    Adam bemerkte am veränderten Motorengeräusch, dass das Schiff langsamer fuhr. Die Anfahrt zur Küste, endlich. Victors Tochter besaß Mut, das musste man ihr lassen. Mehr Mut als Verstand, wenn man die abenteuerliche Situation bedachte.
    Nachdem Adam das Leck noch einmal sorgfältig abgedichtet hatte, war er sicher, dass kein Wasser mehr eindringen würde. Der Riss befand sich oberhalb des Wasserspiegels, und da die See ruhiger geworden war, würde die „Marnie Lee“ für den Rest der Fahrt gerade im Wasser liegen. Die Gefahr, dass sie bei Schlagseite volllaufen und sinken würde, war fürs Erste gebannt.
    Trotzdem – warum hatte Marnie ihn daran gehindert, Hilfe anzufordern? Was für ein Spielchen spielte sie? Gehörte sie zur Sorte der gelangweilten reichen Frau, die besondere Kicks brauchte?
    Sie war ihm immer so normal vorgekommen. Schön, aber nie glamourös. Elegant, aber nicht extravagant. Witzig, aber nie ausgeflippt. Warum also dieser selbstmörderische Bootstrip im Orkan? Warum kein Notruf bei der Küstenwache?
    Konnte es sein, dass Marnie Montgomery vor etwas davonlief?
    Der Gedanke ließ Adam nicht los. Er stieg die schlüpfrigen Stufen zur Brücke hoch. Marnie war so auf ihr Manöver konzentriert, dass sie kaum Notiz von ihm nahm.
    „Sie sollten jetzt besser den Anker werfen“, riet er ihr nach einem Blick auf die Karten. „Wenn Sie noch weiter ranfahren, gibt’s Probleme.“ Sekundenlang trafen sich ihre Blicke, und Adam bildete sich ein, in ihren Augen mehr als nur Wut zu lesen. Es musste Einbildung sein. Marnie Montgomery würde nie einem Mann weibliches Interesse bekunden, der Verrat an dem kostbaren Unternehmen ihres Vaters begangen hatte.
    Sie blickte weg. „Genau das habe ich vor“, sagte sie und löste den Anker. Die Kette rasselte, es gab einen leichten Ruck, und das Boot stoppte. Es rollte mit den Wellen hin und her.
    Adam nahm das Schlauchboot aus der Halterung und pumpte es auf. „Holen Sie Ihre Sachen und Lebensmittelvorräte, falls welche da sind“, sagte er zu Marnie, und als sie nach unten kletterte, rief er schnell die Küstenwache an.
    Sie wird wütend auf mich sein, aber was soll’s, dachte er, während er Streichholzschachteln, Notraketen und das Erste-Hilfe-Set aus dem Wandfach unter dem Radio nahm.
    Minuten später saßen beide im Schlauchboot. Adam legte sich in die Ruder, und das Boot bewegte sich schaukelnd auf die Küste zu. Als Marnie das andere Paar Ruder ergriff, schüttelte er den Kopf. „Ich schaff das schon. Ruhen Sie sich aus“, sagte er in einem ungewohnten Anflug von Ritterlichkeit.
    „Das brauche ich nicht“, antwortete sie und streckte den Rücken, als sie zu rudern begann.
    Adam verzichtete auf eine Diskussion. Wenn sie meinte, helfen zu müssen, sollte sie ihren Willen haben. Er war nicht darauf versessen, wieder mit ihr zu streiten. Von seinem Platz am Bug aus beobachtete er die geschmeidigen Bewegungen ihrer Rückenmuskeln. Sie holte kräftig mit den Armen aus, bewegte die Schultern vor und zurück, ruderte mit der Ausdauer einer Athletin.
    Ein Feigling war Marnie Montgomery wahrhaftig nicht und nicht die Spur verweichlicht, wie er es von anderen Frauen kannte. Widerstrebend bewunderte Adam ihren Schneid.
    Die „Marnie Lee“ mit den grün und rot blinkenden Lichtern hob sich als helle Silhouette gegen den dunklen Nachthimmel ab. Adam und Marnie sprachen nicht. Nur das Schlagen der Wellen und das gelegentliche Pfeifen einer Bö durchbrachen die Stille.
    Sie näherten sich dem Strand. Adam ließ die Ruder sinken und kletterte aus dem Boot. Er stand bis zur Brust im eiskalten Wasser und begann, das Schlauchboot an Land zu ziehen. „Ich habe die Küstenwache benachrichtigt“, sagte er in die Stille hinein.
    Sie fuhr mit dem Kopf herum.

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