Noch Einmal Sollst Du Buessen
Kritik an der Broschüre nicht maßgeblich wäre. „Sie könnten es ja noch einmal mit Ihrem Vater besprechen“, schlug er vor, „aber so wie ich ihn kenne, ändert er nichts, wenn es keine plausiblen Gründe gibt.“
„Ja, das stimmt“, pflichtete Marnie ihm bei. „Außerdem meine ich, dass ich die endgültigen Entscheidungen treffen sollte.“
Todd nahm seine Brille ab und putzte mit dem Taschentuch die Gläser. „Absolut! Übrigens muss man nicht alles ernst nehmen, was Rosa zurzeit von sich gibt.“
„Wieso? Was hat sie denn?“
„Sie hat im Moment ziemliche Sorgen. Ihrem Mann geht es gesundheitlich schlechter, und eine ihrer Töchter ist vom College abgegangen, um ihr bei der Pflege zu helfen. Aber anscheinend kann ihn nur eine Herzoperation retten, und es ist noch nicht geklärt, ob die Versicherung die Kosten übernimmt. Kein Wunder, dass Rosa so angespannt ist. Alle, die mit ihr arbeiten, bemühen sich so weit wie möglich, sie zu stützen.“
„Das hätte ich früher wissen sollen“, sagte Marnie betroffen und versuchte, sich an das Gespräch mit Rosa zu erinnern. Hoffentlich war sie nicht zu unfreundlich gewesen.
„Machen Sie sich nichts draus. Sie hat die ganze Angelegenheit wahrscheinlich schon vergessen.“ Todd sah auf die Uhr. „Was, schon so spät? Entschuldigen Sie, Marnie, aber ich muss los.“
„Ich mache auch gleich Schluss. Wir sehen uns Montag.“
Als Todd gegangen war, lehnte Marnie sich in ihrem Sessel zurück und blickte aus dem breiten Panoramafenster. Die Silhouette der Wolkenkratzer hob sich vor dem blauen Himmel ab. Nur einige Wolken segelten in der leichten Sommerbrise. Im Sund zogen die Schiffe über das Wasser und ließen weiß schäumende Spuren zurück.
Nachdenklich verfolgte Marnie den Flug einer Möwe. Jeder bei Montgomery Hotels schien seine Probleme zu haben, Kate, Rosa, Fred und alle die anderen, von deren Sorgen sie nichts wusste.
Und sie selbst? Was war mit ihr und ihrer Beziehung ohne Zukunft?
„Oh, hör schon auf!“ Als hätte sie einen Grund, deprimiert zu sein! Sie legte ihr Arbeitspensum fürs Wochenende in ihren Aktenkoffer, nahm ihre Jacke und ging aus dem Büro. Einer der Fahrstühle war außer Betrieb, und eine Schar von Angestellten drängte sich vor den anderen Lifts.
Marnie beschloss, die Treppe zu benutzen. Etwas Bewegung konnte nicht schaden. Ihre Absätze klapperten auf den Metallstufen, als sie ein Stockwerk nach dem anderen hinunterlief. Die Gestalt auf dem Absatz der achten Etage sah sie erst, als sie fast in sie hineinlief.
Sie erstarrte. Die Person war eine Frau. Dolores Täte. Und sie schluchzte herzerweichend. Ihre lockigen Haare hingen ihr wild ins Gesicht, ihre Augen waren rot, und in der Faust hielt sie ein zerknülltes Taschentuch. Als sie Marnie erkannte, stieß sie einen erschrockenen Laut aus.
Ein gespanntes Schweigen baute sich zwischen ihnen auf. „Sind Sie okay?“, fragte Marnie schließlich.
Dolores schniefte und räusperte sich. „Sehe ich so aus?“ Ihre Stimme troff von Sarkasmus.
Marnie hörte über ihre unverhüllte Verachtung hinweg. „Was haben Sie?“
Dolores schluchzte trocken auf. „Sie, ausgerechnet Sie fragen, was ich habe?“ Sie wühlte in ihrer Handtasche, die offen auf dem Fenstervorsprung lag. „Ich brauche eine Zigarette.“ Mit zitternden Händen zog sie eine neue Packung hervor und riss das Zellophan auf. Nervös fischte sie das Feuerzeug aus der Tasche, um sich endlich ihre Zigarette anzuzünden. „Sie wollen wissen, was mit mir los ist?“, wiederholte sie nach einem tiefen Zug. „Raten Sie doch mal.“
Marnie blieb gelassen. „Ich nehme an, dass es etwas mit Kent zu tun hat.“
„Bingo!“ Dolores legte den Kopf in den Nacken und blies den Rauch aus. „Mehr muss ich Ihnen wohl nicht erzählen. Kent hat mit Ihnen ja auch sein Spielchen getrieben.“
„Macht nichts.“
„Ihnen macht es vielleicht nichts.“ Tränen rollten Dolores’ Wangen hinunter. „Aber ich habe den Kerl geliebt.“ Sie lachte bitter, wischte mit dem Taschentuch ihre Tränen fort und putzte sich die Nase. „Schön dumm, was?“
„Wir machen alle Fehler“, antwortete Marnie und hoffte, dass es nicht zu klischeehaft klang.
„O ja, das kann man wohl sagen.“ Plötzlich sah Dolores Marnie schuldbewusst an. „Ich wollte Ihnen nicht wehtun, bestimmt nicht. Ich war eben verliebt, dummerweise in den falschen Mann.“ Sie zog tief an ihrer Zigarette. „Ich Närrin habe mir eingebildet, dass Mr. Simms
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