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Noch immer schwelt die Glut

Noch immer schwelt die Glut

Titel: Noch immer schwelt die Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Robert
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ich konnte, indem ich mich besann, daß er alles bis in Einzelheiten wissen wollte, |205| aber daß es zugleich gut ausgedrückt, farbig und die Vorstellungskraft ansprechend sein mußte.
    »Einerseits«, sagte der König dann, den Kopf nachdenklich senkend, »hätte ich besser getan, Mundane ins Gefolge von Quéribus zu stecken. Ihr, Siorac, stacht Guises Agenten zu sehr ins Auge, erstens als mein Arzt, denn welche Dienste Miron mir außerdem erweist, ist inzwischen bekannt; zweitens als ehemaliger Hugenotte und drittens als Sohn eines berühmten Vaters, der Navarra dient. Andererseits hätte Quéribus die Untersuchung zu Mâcon nicht so gut und rasch geführt, daß er wie Ihr, mein Kind, den Brief gefunden hätte.«
    Durch dieses »mein Kind« – der König war genauso alt wie ich – bezeugte mir Heinrich zugleich seine Liebe und Dankbarkeit. Er hielt auf Nuancen und wußte mit wenig viel zu sagen.
    »Was war diese Marianne für eine Person?«
    »Lebhaft, braun, schlank, hübsch, schwarze Augen, rabenschwarzes Haar und ein Mund zum Anbeißen.«
    »Hättet Ihr angebissen«, fragte der König, ohne zu lächeln, »wenn sie Euch die Gelegenheit geboten hätte?«
    »Nein, Sire. Als Träger eines wichtigen Briefes hätte ich solcher Gelegenheit nicht getraut.«
    »Chicot«, sagte der König, »kennst du eine Frau, die der Beschreibung entspricht?«
    »Kenne ich«, sagte Chicot. »Sie ist von gutem Adel und dient zwei Hinterbacken: eine zu kurz, die andere zu leicht.«
    »Ha, Siorac!« sagte der König, »das heißt Gefahr für dich und die Deinen. Im Vipernnest der Dame Hinkefuß sinnt man auf Blut. Schon wurden dir die zweihunderttausend Ecus an den Hals gehängt. Fehlt nur noch das Messer. Entferne dich aus Paris, mein Kind, heute noch, geh, ohne zu säumen, nach deinem Gut Le Chêne Rogneux, verschanze dich und komm erst wieder, wenn ich dich rufe. Mein Schatzmeister soll dir zweitausend Ecus auszahlen, damit du dich waffnen und befestigen kannst. Und während du fort bist, streut mein Chicot, das Lästermaul, im Louvre aus, der König habe dich wegen eines Ärgernisses auf deine Äcker verbannt.«
    »Ha, Sire!« sagte ich voll Schmerz, »Euch zu verlassen ist mir schon Leid und Jammer genug. Muß es noch dieses Gerücht meiner Ungnade sein?«
    »Bah! Ein Wind, mehr nicht. Aber, wer schützt dich besser |206| als ein Trupp Arkebusiere? Wer weiß, ob nicht irgendeine Marianne in deiner Einsamkeit auftaucht, nicht, um dich zu ermorden, sondern dich zu umgarnen, damit du dein Schwert dem Guise weihst?«
    »Beim Ochsenhorn! Ich stieße es ihr zwei Daumen tief ins Herz!« sagte ich.
    »Schöne Art von Unzucht!« sagte Chicot, »sie läßt sich nur nicht wiederholen.«
    Der König lächelte nicht über den Scherz, Schwermut hielt ihn gefangen, und nichts und niemand konnte ihn daraus erlösen, nicht einmal Chicot.
    Ich war nicht weniger verdüstert, als ich von meinem guten Herrn Abschied nahm, nicht wissend, wann ich ihn wiedersähe. Und weil ich ihm nicht dienen durfte, solange der Wirbel um die zweihunderttausend Ecus nicht vergessen war, sah ich trübsinnigen Zeiten auf meinem Hof Le Chêne Rogneux entgegen, ohne andere Freuden, als die vier Mauern zu befestigen, für deren Verstärkung der große Rabbi mir natürlich nur fünfzehnhundert Ecus auszahlte, sehr verwundert, wie lustlos ich sie einsackte. Aber den Louvre zu verlassen tat mir so bitter weh und entlockte mir so viele Tränen, daß es Chicot nicht schwerfiel, das Gerücht von meiner Ungnade auszustreuen, jedenfalls wußten Fogacer, Quéribus, Giacomi und Miroul schon davon, als ich am Tor der Rue de l’Autruche anlangte, ebenso Hauptmann Rambouillet, der auf einem Schemel neben dem Schalter saß, um seinen schweren Wanst auf die Schenkel zu betten, und mir gutmütig die Hand hinstreckte.
    »Lebt wohl, mein Freund«, sagte er. »Der König liebt Euch, Eure Verbannung wird nicht ewig dauern.«
    Ich kann gar nicht ausdrücken, wie wohl diese Worte mir taten, und tränenüberströmten Gesichts beugte ich mich zu Rambouillet und küßte seine dicken roten Backen.
    »Mein Pierre«, sagte Quéribus, »laßt uns in die Kapelle des Hôtel de Bourbon eintreten. Es ist nicht verkehrt, wenn man Euch an diesem letzten Sonntag in der Messe sieht, und wir können, ohne Messer zu fürchten, in aller Ruhe reden. Um diese Morgenstunde ist es dort noch nicht voll.«
    Kaum erblickte uns der Küster, trat er, nach unseren Mienen guten Lohn witternd, auf uns zu, um uns »einen

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